Von unbändiger Energie, die leichtsinnig macht, bis zu tiefer Traurigkeit: Eine bipolare Störung ist eine Erkrankung der Extreme. Frühzeitig erkannt und therapiert, kann häufig viel Leid vermieden werden. Dafür setzt sich auch „BiBo“ ein, die Spezialsprechstunde für Bipolare Störungen am LWL-Universitätsklinikum für Psychiatrie, Psychotherapie und Präventivmedizin der Ruhr-Universität Bochum.
Gut drauf, voller Energie und Tatendrang – und kurz darauf fühlt sich alles eher trüb an. Das kennen wir alle, denn kleinere Stimmungsschwankungen gehören zum Menschsein dazu. Meist gibt es dafür auch einen Grund und die Stimmung reguliert sich mehr oder weniger von allein wieder. Wer jedoch an einer bipolaren Störung leidet, dessen Gefühlswelt schwankt ohne ersichtlichen Anlass. Und das zwischen zwei extremen Polen. In den meisten Fällen erleben die Patientinnen und Patienten vor allem depressive Phasen, die sich mit sporadisch auftretenden manischen Phasen
abwechseln. Dazwischen gibt es auch Phasen ohne akute Symptomatik, die als euthyme Phasen bezeichnet werden. Symptome können unter anderem extreme Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Mutlosigkeit, aber auch Rast- und Schlaflosigkeit sein. Drei von 100 Menschen erkranken im Laufe ihres Lebens an einer bipolaren Störung, oft mit gravierenden Folgen.
Die Weltgesundheitsorganisation WHO listet die bipolare Störung als eine von zehn Krankheiten, die „weltweit zu dauernder Beeinträchtigung“ führen können. Denn unbehandelt können die Symptome schnell chronisch werden, die Abstände zwischen den Phasen kürzer und vor allem die Depressionen schwerwiegender. Jede vierte betroffene Person versucht mindestens einmal sich das Leben zu nehmen, die tatsächliche Suizidrate ist mit 15 Prozent sehr hoch.
Eine bipolare Störung stellt für die Betroffenen eine große Belastung dar, die mit Gefühlen von Verzweiflung einhergeht, aber auch mit Scham- und Schuldgefühlen. Aufgrund der ambivalenten und teils extremen Verhaltensweisen leiden nicht nur der Patient oder die Patientin, sondern auch das soziale und familiäre Umfeld.
Frühe Diagnose verhindert Chronifizierung
Die Medizin bemüht sich deshalb, die Diagnose möglichst frühzeitig zu stellen. So kann einer Chronifizierung vorgebeugt und Betroffenen geholfen werden, erneute Phasen rechtzeitig zu erkennen und ihnen entgegenzuwirken. Am LWL-Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum wurde dazu „BiBo“ eingerichtet – die Spezialsprechstunde für Bipolare Störungen Bochum. „BiBo“ will Patientinnen und Patienten unter anderem dabei unterstützen, die richtige Diagnose zu erhalten. Denn: durchleben Betroffene eine manische Phase, werden sie zwar von anderen als seltsam verändert wahrgenommen, wissen sich selbst aber gar nicht so ohne weiteres zu helfen. Meist wird eine Diagnose während einer depressiven Phase gestellt und die Erkrankung dann zunächst als „reine“ Depression verbucht. Eine bipolare Störung muss jedoch – therapeutisch und medikamentös – anders behandelt werden als eine Depression.
Die Abklärung in einer Spezialsprechstunde für bipolare Störungen wie „BiBo“ ist in jedem Fall angezeigt, sobald ein Facharzt oder Therapeut den Verdacht auf eine bipolare Störung äußert, der Patientin oder dem Patienten eine Überweisung ausstellt und rät, in einer entsprechenden Spezialsprechstunde vorstellig zu werden. Das Bochumer Universitätsklinikum bietet neben Beratung und Diagnostik auch eine entsprechende ambulante sowie (teil-)stationäre Behandlung an. Psychoedukation hilft Patientinnen und Patienten, ihre psychische Erkrankung besser zu verstehen und sie anzunehmen. Eine frühzeitige Diagnose sowie eine therapeutische wie medikamentöse Behandlung führen im weiteren Verlauf zu einer erhöhten Lebensqualität.
Bipolare Störungen nicht mit Pubertät verwechseln
In der Regel tritt die Erkrankung während der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter das erste Mal auf. Hinweise darauf zeigen sich jedoch schon vorher. Die Forschung weiß inzwischen, dass dazu folgende Symptome gehören können: Nach einer depressiven Phase zeigen sich starke Stimmungsschwankungen („Zyklothymia“) mit auffälliger Reizbarkeit,
aggressivem Verhalten, Wutausbrüchen, Hypersensibilität („himmelhochjauchzend, zu Tode betrübt“) verbunden mit dem Unvermögen, diese Stimmungen selbst zu regulieren. Hinzu kommen eine genetische Veranlagung (d.h. Familienangehörige sind auch an einer bipolaren Störung erkrankt) und ein gestörter Schlaf-Wach-Rhythmus. Leicht lässt sich das Geschehen mit einer ausgeprägten pubertären Phase verwechseln. Bei Verdacht auf eine sich anbahnende bipolare Störung, vor allem bei familiärer Vorbelastung, empfiehlt sich, diese im Rahmen der Kinder- und Jugendpsychiatrie abzuklären, um auch andere psychische Erkrankungen mit ähnlichen Symptomen wie ADHS, eine Borderline-Persönlichkeitsstörung oder etwa Schizophrenie auszuschließen.
Die Erkrankung eindeutig zu erkennen, ist durch ihren sehr individuellen Verlauf erschwert. Auch die Dauer der einzelnen Phasen variiert stark, ebenso die stabile Zeit zwischen dem erneuten Auftreten einer Manie oder Depression. Die oben genannten Symptome können für bereits Erkrankte als Frühwarnzeichen für eine neuerliche Phase dienen. Teil der Therapie, zu der auch eine gute und frühzeitige medikamentöse Einstellung gehört, ist es zudem, das Umfeld der Betroffenen zu stärken, sodass Frühwarnzeichen auch in der Familie erkannt werden. Wichtig für Angehörige ist es wiederum, gut für sich selbst zu sorgen, Selbsthilfeangebote zu nutzen und sich etwa auch im Curamenta-Forum mit anderen auszutauschen.