Was sind Essstörungen?
Essstörungen sind psychosomatische Erkrankungen, die in verschiedenen Formen auftreten können. Gemeinsames Merkmal ist, dass Betroffene einen stark von der Norm abweichenden Umgang mit Essen aufweisen. Die Themen Essen, Gewicht und Figur beherrschen ihre Gedanken und beeinflussen das Verhältnis zum eigenen Körper, der mitunter verzerrt wahrgenommen wird.
Je nach Erkrankungsform kann eine Essstörung starkes Unter- oder Übergewicht nach sich ziehen, doch auch Normalgewichtige können darunter leiden. Stärker als an der Körperform ist eine Essstörung am Verhalten von Betroffenen zu erkennen.
Essstörungen beginnen überwiegend in der Jugend oder im frühen Erwachsenenalter und entstehen meist aus dem Zusammenspiel mehrerer Faktoren auf biologischer, psychologischer und soziokultureller Ebene. Unbehandelt können sie schwere bis lebensgefährliche körperliche Begleiterscheinungen mit sich bringen.
Welche Arten von Essstörungen gibt es?
Es gibt vier Formen von Essstörungen, die auch parallel auftreten können:
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Magersucht (Anorexia nervosa)
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Bulimie (Bulimia nervosa)
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Essattacken mit Kontrollverlust (Binge-Eating-Störung)
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Psychogener Appetitverlust (im Rahmen anderer psych. Erkrankungen)
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Magersucht (Anorexia nervosa)
Betroffene sind krankhaft daran interessiert, ihr Gewicht zu reduzieren und haben panische Angst davor, zuzunehmen. Daher hungern sie, treiben exzessiv Sport, zählen ständig Kalorien und greifen zu Abführmitteln oder Appetitzüglern. Durch eine verzerrte Körperwahrnehmung fühlen sie sich trotz teilweise massivem Untergewicht zu dick. Häufig fehlt ihnen die Einsicht, dass sie erkrankt sind.
Die aus ihrem Essverhalten entstehende Mangelversorgung führt zum Beispiel zu Herzproblemen, Magenerkrankungen, Nierenversagen, Wassereinlagerungen, Knochenschwund, Wachstumsstopp sowie dem Ausbleiben der Menstruation.
Bulimie (Bulimia nervosa)
Merkmal der Bulimie oder Ess-Brech-Sucht sind regelmäßig auftretende Essattacken. Betroffene nehmen innerhalb kurzer Zeit große Mengen Nahrung auf und verlieren dabei die Kontrolle über sich selbst. Aufgrund ihrer Angst zuzunehmen, erbrechen sie das Gegessene wieder. Diese gewichtsreduzierende Maßnahme führt auf Dauer zu körperlichen Symptomen wie Zahnschäden, Haarausfall oder Verdauungs- und Herzrhythmusstörungen.
Das Selbstwertgefühl Betroffener hängt stark von ihrer Figur und ihrem Gewicht ab. Das Gewicht kann dabei normwertig oder im Über- und Untergewicht liegen. Oft halten sie Diät, die das Vorkommen von Essattacken wiederum begünstigen kann. Nach Essanfällen empfinden sie Scham und Schuldgefühle. Bulimie tritt häufig im Zusammenhang mit anderen psychischen Erkrankungen auf.
Essattacken mit Kontrollverlust (Binge-Eating-Störung)
Diese Störung äußert sich in wiederholten Essattacken, oft ohne vorherigen Hungerreiz. Betroffene können nicht mehr kontrollieren, wie viel sie essen und hören meist erst bei einem unangenehmen Völlegefühl auf. Anders als bei der Bulimie treffen sie nach den Attacken keine gewichtsreduzierenden Maßnahmen, weshalb sie oft übergewichtig sind. Bei Übergewicht sind sie anfällig für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder Gelenkprobleme.
Menschen mit Binge-Eating-Störung leiden unter den Essanfällen und ekeln sich nach den Attacken vor sich selbst. Oft sind sie zudem von Depressionen oder Angststörungen betroffen, die durch die Essstörung verstärkt werden können.
Psychogener Appetitverlust
Tritt im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen auf (Depression, Angststörung). Meistens ist der Appetitverlust verbunden mit Gewichtsverlust, bis hin zum Untergewicht. Begleitsymptome können Übelkeit und Globusgefühl (Fremdkörpergefühl im Hals) sein, die ein Ausdruck der Angst sein können.
Woran erkenne ich, ob ich eine Essstörung habe?
- Meine Gedanken drehen sich ständig ums Essen, um meine Figur und mein Gewicht.
- Meine Stimmung und mein Selbstwertgefühl sind von der Waage abhängig.
- Mein Essverhalten erscheint mir nicht normal.
- Ich habe Essanfälle, hungere oder mache ständig eine Diät.
- Der Gedanke zuzunehmen bereitet mir Angst.
- Ich esse nicht gern in Gesellschaft, sondern lieber allein.
- Mein Gewicht verändert sich in kürzester Zeit.
Wie erkennt eine Ärztin oder ein Arzt, ob eine Essstörung vorliegt?
Betroffene Personen halten ihre Erkrankung aus Scham häufig geheim oder ihnen fehlt die Einsicht, überhaupt erkrankt zu sein. Daher suchen sie Ärzte und Ärztinnen meist wegen anderer Beschwerden auf, die eine Folge der Essstörung sein können. Dazu zählen etwa Bauchschmerzen, ausbleibende Regelblutung oder Haarausfall. Typisch ist auch, dass besorgte Menschen aus ihrem Umfeld die ärztliche Abklärung anstoßen.
Kern der Anamnese ist das ausführliche Gespräch, in dem Arzt oder Ärztin Fragen zum Essverhalten, zur Zufriedenheit mit Körper und Figur, aber auch zu Sport, zur Einnahme von Medikamenten und zu gewichtsreduzierenden Maßnahmen stellt. Ergänzt wird die Abfrage durch den Body-Mass-Index, der das Verhältnis von Größe und Gewicht anzeigt.
Weiterhin wird geprüft, ob körperliche Ursachen zu einer Gewichtsveränderung geführt haben, was bei Diabetes oder einer Schilddrüsenerkrankung der Fall sein kann.
Der Behandlungserfolg hängt davon ab, wie sehr Sie sich darauf einlassen. Dafür ist es besonders wichtig, sich einzugestehen, dass Sie erkrankt sind. Diese Einsicht fällt schwer, gerade weil eine Essstörung mit Scham, Schuldgefühlen, Geheimhaltung oder auch Selbstkontrolle verbunden ist. Nutzen Sie die professionelle Hilfe im Rahmen Ihrer Behandlung, um sich ehrlich und ernsthaft mit Ihren Problemen auseinanderzusetzen – auch denen, die nicht unmittelbar mit der Erkrankung verbunden sind.
Im Rahmen der Behandlung werden Sie einen neuen Umgang mit Essen lernen, den Sie selbst unterstützen können. Regelmäßiges, bewusstes Essen, das Wahrnehmen von Sättigungsgefühl und Genuss fördern den Weg zurück zu einem normalen Essverhalten.
Ebenfalls hilfreich ist der Austausch mit anderen Betroffenen, zum Beispiel in unserem Forum oder in Selbsthilfegruppen.
Angehörige fühlen sich häufig hilflos und möchten die erkrankte Person dennoch unbedingt unterstützen. Wichtig ist, dass dabei kein Druck erzeugt wird. Betroffenen kann am besten therapeutisch geholfen werden, wenn sie aus einer hohen Eigenmotivation heraus Hilfe suchen. Daher sollten Angehörige genau diese Eigenmotivation fördern. Wichtig ist auch, die Themen Körper und Essverhalten nicht kritisch oder mit Witzen zu kommentieren und Betroffene nicht auf ihre Erkrankung zu reduzieren.
Da die Situation insgesamt belastend ist und Angehörige viele Emotionen durchleben, ist es auch für sie ratsam, sich professionelle Hilfe zu suchen. Eine Möglichkeit zum Austausch mit anderen bietet unser Forumbereich für Angehörige.
Bei einer Magersucht ist der gesamte Körper unterversorgt, da Nährstoffe, Elektrolyte und auch Wasser nicht in ausreichendem Maß aufgenommen werden. Dadurch kann es zu langfristigen körperlichen und psychischen Folgen kommen: verlangsamter Herzschlag, Herzrhythmusstörungen, Störungen der Nierenfunktion, Osteoporose, Hormonstörungen bis hin zur Unfruchtbarkeit, Potenzprobleme, Abbau von Nervenzellen, Blutarmut, Herz- und Skelettmuskelschwund, Depressionen, Isolation oder Angststörungen. Tritt die Magersucht sehr früh auf, wird die Entwicklung beeinträchtigt: Zum Beispiel stellt sich die Menstruation nicht ein oder das Knochenwachstum ist gestört.
Mit fortschreitender Dauer der Erkrankung schränkt der Körper seine Funktionen ein. Dann kann schon ein leichter bakterieller Infekt tödlich enden. Insgesamt hat Anorexia nervosa die höchste Sterblichkeitsrate unter allen psychischen Erkrankungen.
Der Body-Mass-Index (BMI) gibt das Verhältnis zwischen Körpergröße und Gewicht an. Als normalgewichtig wird ein Wert zwischen 18,5 und 24,9 angesehen. Ein Wert unter 18,5 gilt als untergewichtig, unter 14,5 als lebensgefährlich.
Auch wenn der BMI keine abschließende gesundheitliche Einordnung leisten kann, ist er ein guter Indikator für Extreme. Neben extremem Untergewicht kann sich auch starkes Übergewicht lebensbedrohlich auswirken – wenn auch weniger akut. Ein BMI über 30 gilt als schweres Übergewicht, das reduziert werden sollte.
Die Entwicklung einer Bulimie ist selten auf eine einzige Ursache zurückzuführen. Sie entsteht meist aus dem Zusammenspiel biologischer, psychologischer, familiärer und/oder soziokultureller Faktoren.
Biologische Faktoren umfassen zum Beispiel die erbliche Veranlagung für eine Essstörung. Familiäre Einflüsse beziehen sich auf den Umgang mit Essen innerhalb der Familie: Ob beispielsweise häufig Diäten gemacht werden oder Gewicht, Figur und Aussehen eine übergeordnete Rolle spielen.
Zu den psychischen Faktoren gehört fast immer ein niedriges Selbstwertgefühl, das Erkrankte mit einem attraktiven Äußeren kompensieren wollen. Oft haben sie Probleme mit dem Umgang mit Gefühlen, auch depressive Verstimmungen können vorliegen.
Hinzu kommen gesellschaftliche Einflüsse. Trotz einiger gegenläufiger Trends wie Body Positivity herrscht in Medien und Social Media ein schlankes Schönheitsideal vor. Betroffene sehen in der Erfüllung dieses Ideals eine Möglichkeit, sich besser zu fühlen.
Binge-Eating ist eine psychische Erkrankung. Daher ist es für Betroffene schwierig bis unmöglich, sie ohne professionelle Hilfe in den Griff zu bekommen. Das liegt auch daran, dass die Ursache der Essstörung meist mehrere Faktoren umfasst: zum Beispiel das familiäre Essverhalten oder familiäre Konflikte, ein niedriges Selbstwertgefühl, ein erhöhter Body-Mass-Index (BMI) oder Depressionen.
Als wirksam hat sich die Kognitive Verhaltenstherapie erwiesen. Dabei wird daran gearbeitet, das Essverhalten zu normalisieren, die Selbstakzeptanz zu stärken und die Auslöser der Essattacken zu erkennen und einen Umgang damit zu finden.
Nicht jede Veränderung des Essverhaltens muss auf eine Erkrankung hinweisen. Weniger zu essen kann zum Beispiel eine Reaktion auf Stress oder Trauer sein. Die krankhaft reduzierte Nahrungsaufnahme im Rahmen einer Magersucht macht sich vor allem durch folgende Faktoren bemerkbar:
- Betroffene beschäftigen sich übermäßig mit dem Thema Essen.
- Ihr Essverhalten ist durch höchste Selbstkontrolle geprägt.
- Sie zählen ständig Kalorien und wiegen sich täglich (auch mehrfach).
- Sie essen langsam.
- Sie trinken viel Wasser, um den Magen zu füllen.
- Sie finden Ausreden dafür, nicht in Gesellschaft essen zu müssen oder wenn es dazu kommt, die Aufnahme von Nahrung zu vermeiden („Ich habe schon gegessen“).
- Sie nehmen stark ab.
- Sie treiben exzessiv Sport.
- Sie empfinden sich trotz sichtbarem Untergewicht als zu dick.
- Sie haben Konzentrationsschwierigkeiten, Haarausfall, trockene Haut und frieren.
- Sie entwickeln Lanugohaar (Haarflaum auf dem Gesicht).
Übergewicht (Adipositas) kann eine Begleiterscheinung von einer Essstörung sein. Die Adipositas ist keine Essstörung im klassischen Sinn, doch auch sie basiert auf einem außergewöhnlichen Essverhalten. Betroffene nehmen übermäßig viel Nahrung zu sich, ihr Gewicht steigt und sie entwickeln Fettansammlungen im Körper.
Übergewichtige Personen haben häufig Schwierigkeiten, ihr Essverhalten zu kontrollieren, oft dient Essen der Stressbewältigung oder Belohnung. Manche leiden an Schamgefühlen und ziehen sich sozial zurück.
Körperliche Folgen von Übergewicht können Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Bluthochdruck oder Erkrankungen des Bewegungsapparats sein.
Um einen ersten Überblick zu gewinnen, ob Sie möglicherweise an einer Essstörung leiden, bietet Curamenta Ihnen einen Esstörungen-Test. Er liefert jedoch keine Diagnose. Diese kann nur durch ärztliche Abklärung erfolgen. Bitte zögern Sie nicht, bei Unsicherheit einen Termin bei einer Ärztin oder einem Arzt abzumachen.