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Was tun nach der Demenzdiagnose?

Die Diagnose „Demenz“ ist für Erkrankte oft schwer zu ertragen, ebenso aber auch für Angehörige. Warum es in dieser Situation wichtig ist, sich ihr gemeinsam zu stellen, was zu tun ist und wie die Lebensfreude möglichst lange erhalten bleibt, erklärt Clara Schumacher, Pflegedienstleiterin am Zentrum für Altersmedizin und Entwicklungsstörungen im kbo-Isar-Amper-Klinikum Region München.
 

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Wenn ein geliebter Mensch an Demenz erkrankt – was sind die größten Herausforderungen für seine Angehörigen?

Zu wissen, dass die Krankheit nicht heilbar ist, und die Angst davor, was kommt: Wie und in welchem Zeitraum wird sich der andere verändern? Wird er vielleicht aggressiv? Wie komme ich damit zurecht, wenn er immer mehr vergisst und mich schließlich nicht mehr erkennt? Hinzu kommt das Gefühl von Hilflosigkeit. Nichts tun zu können, wenn der Mensch, den ich liebe, langsam „verschwindet“. Deshalb ist es wichtig, die eigene Hilflosigkeit so früh wie möglich in Aktion umzuwandeln und die verbleibende gemeinsame Zeit bewusst zu gestalten.


Wie kommt man aus der Hilflosigkeit ins Tun?

Dazu gehört vor allem, sich frühzeitig Hilfe zu suchen und diese auch anzunehmen. Sprechen Sie mit anderen! Demenz betrifft viele Menschen und es gibt zahlreiche Unterstützungsangebote. In München etwa helfen die stadtteilnahen Alten- und Servicezentren beratend, aber auch mit Hausbesuchen. Fragen zur Pflege beantwortet die Pflegekasse, die man über die Krankenkasse erreicht. Vor allem: Sprechen Sie miteinander, solange dies noch geht. Wie wollen Sie und Ihr Partner, Ihre Partnerin, die Erkrankung handhaben? Wer übernimmt, wenn es einmal so weit ist, betreuende Aufgaben, etwa für die Finanzen oder die Gesundheit? Wer pflegt? Dieses Thema ist oft schambesetzt und daher heikel. Soll es jemand aus der Familie sein, eine externe Pflegekraft, die ins Haus kommt oder kommt beides nicht in Frage? Vielleicht gibt es eine Tagesklinik in der Nähe, die sich um Demenzerkrankte kümmert, eine Institutsambulanz oder aber eine Einrichtung wie das kbo-Zentrum für Altersmedizin und Entwicklungsstörungen in Haar, zu dem auch das sogenannte Memory-Zentrum gehört. Sorgen Sie rechtzeitig für eine Heimanmeldung, denn ein Platz in einem Heim in der Nähe ist in der Regel nicht sofort verfügbar, wenn man ihn dann braucht. Sind solche Fragen rechtzeitig gemeinsam geklärt worden und die Wünsche des Erkrankten ebenso berücksichtigt wie die des oder der Angehörigen, fällt es oft leichter, das Unvermeidliche zu akzeptieren. Es kommt auch oft weniger Angst auf, wenn man nicht alles verdrängt, weil die Symptome noch nicht so gravierend sind.


Gibt es unmittelbare Entlastung im Alltag?

Wurde eine Demenz diagnostiziert und der Erkrankte ist körperlich noch nicht eingeschränkt, kann bereits Unterstützung angefordert werden – etwa eine Hilfe für den Haushalt. Auch bei kognitiven Einschränkungen kann schon früh ein Pflegegrad geltend gemacht werden, der demenzielle Erkrankungen berücksichtigt. Mitarbeitende der jeweiligen Pflegekasse kommen auf Wunsch nach Hause, um zu beraten, welche Hilfe in welcher Phase sinnvoll und möglich ist. Befindet sich ein Demenzerkrankter, eine Demenzerkrankte in der Klinik, kann der entsprechende Antrag auch über den dortigen Sozialdienst gestellt werden.


Wann ist ein Klinikaufenthalt nötig bei einer Demenzerkrankung?

Das kommt vor allem vor, wenn jemand aufgrund seiner Erkrankung in ein Delir fällt, also einen akuten Verwirrtheitszustand, und mit Medikamenten stabilisiert werden muss. So ein Delir kann auch auftreten nach einem Wohnortswechsel, da eine demenzerkrankte Person sich zunehmend nicht mehr örtlich und zeitlich zurechtfindet. Das wird meist als beängstigend erlebt. Bei schwereren Verläufen können Selbst- oder Fremdgefährdung hinzukommen, etwa weil man den Herd nicht ausschaltet oder im Schlafanzug auf die befahrene Straße läuft. Auch dann kann vorübergehend eine stationäre Behandlung angezeigt sein.


Wo finden Angehörige Hilfe für sich selbst?

Es gibt Foren für Angehörige und Selbsthilfegruppen, in denen man mit- und voneinander lernen und seine Erfahrungen und Nöte teilen kann. In Alten- und Pflegeheimen, aber etwa auch in unserer ambulanten Versorgungsstruktur sowie bei einem stationären Aufenthalt, stehen Demenzexpertinnen und -experten und psychiatrische Fachpflegekräfte Angehörigen für Gespräche zur Verfügung. Zudem gibt es multiprofessionelle Angehörigenschulungen. Der gesunde Partner braucht genügend Zeit für sich und darf sich ruhig mal eine dreistündige Auszeit nehmen, wenn eine Pflegekraft für den Erkrankten da ist. So lässt sich das Erlebte besser verarbeiten und staut sich nicht auf. Bringt sich sogar die ganze Familie ein, kann das viel Geborgenheit geben und den Einzelnen sehr entlasten. Grundsätzlich gilt: Ausgleich schaffen, Grenzen definieren und auch einhalten, Hilfe annehmen.
 

Was können Angehörige nicht leisten?

Das hängt ganz von den Menschen selbst ab, aber beim Thema Pflege und Medikamente wird es oft schwierig. Der Erkrankte soll der geliebte Angehörige bleiben und nicht derjenige, über den man sich ärgert, weil er seine Medizin nicht nimmt. Da ist es besser, wenn eine Pflegekraft die Einnahme überwacht. Auch muss man sich ehrlich fragen, ob die eigene Wohnung nicht vielleicht zu klein ist, um den Demenzerkrankten zu sich zu holen, und ob man wirklich psychisch und physisch in der Lage ist, rund um die Uhr für diesen Menschen da zu sein oder auch nur stundenweise.
 

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Können Angehörige etwas tun, damit die Demenz langsamer fortschreitet?

Das ist durchaus möglich. Sie können gemeinsam ein Album mit Fotos anlegen, die an besonders schöne Momente erinnern. Hatte jemand früher einen Hund als Haustier, kann es günstig sein, wieder einen Hund anzuschaffen – sofern dieser in der Familie generell gut aufgehoben ist. Aber auch Bilder von Tieren können entsprechende Erinnerungen und positive Gefühle wachrufen. Stofftiere können ebenfalls eine Brücke sein. Hören Sie Songs von früher, Lieblingslieder, vielleicht tanzen Sie sogar dazu. Auf unserer Station kommt das oft vor, wenn wir Volkslieder spielen. Backen und kochen Sie gemeinsam, der Geruchssinn ist am unmittelbarsten mit den Erinnerungen eines Menschen verbunden. Gerade in der Frühphase ist es zentral, die Hirnaktivität zu steigern, um den Abbau von Hirnzellen zu verzögern. Das geht vor allem auch über Bewegung an der frischen Luft. Gehen Sie möglichst oft raus und spazieren oder, sofern noch möglich, zum Sport. In der Klinik setzen wir Ergotherapie ein, viele Einrichtungen bieten ebenfalls Kurse an.


Wenn Angehörige einen geliebten Menschen an die Demenz verlieren – wie können sie mit Gefühlen wie Wut, Trauer, Hilflosigkeit umgehen?

Manche tragen ihre Emotionen nach außen, andere behalten sie eher für sich, da reagiert jeder und jede anders. Wichtig ist, für sich selbst einen Weg zu finden und sich zu fragen, was man selbst braucht, damit es einem möglichst gut geht und man wieder auftankt. Wird der oder die Erkrankte aggressiv und man fühlt sich ungerecht behandelt, ist es hilfreich zu versuchen, dies nicht an sich heranzulassen, sich nicht verletzt zu fühlen: Sehen Sie das manchmal erschreckende Verhalten als Teil der Erkrankung und verurteilen Sie es nicht. Bewahren Sie sich möglichst ein Bild des anderen, wie Sie ihn gekannt haben und lieben.


Sie betonen, dass es gerade in der Frühphase wichtig ist, sich die Lebensfreude zu bewahren. Wie kann das gelingen?

Mit dem Fortschreiten der Demenz wird manches nicht mehr möglich sein und die Partnerschaft verändert sich unweigerlich, weil einer erkrankt ist und der andere nicht. Dazu gehört auch, dass der Partner oder die Partnerin irgendwann nicht mehr Autofahren kann und allmählich die Selbstständigkeit aufgeben muss. Ist alles Wesentliche besprochen, versuchen Sie daher, die verbleibende gemeinsame Zeit bewusst zu genießen. Setzen Sie sich erreichbare Ziele, ohne sich zu übernehmen. Es muss vielleicht nicht der Marathon sein, an dem der Partner oder die Partnerin noch teilnehmen will, aber vielleicht gehen Sie in die gleiche Laufgruppe? Verbringen Sie eine Nacht in dem netten Hotel, das Sie immer mal buchen wollten. Fahren Sie zusammen ans Meer oder in die Berge oder an den Ort, wo Sie am liebsten Urlaub gemacht haben.


Angebote für Angehörige

Eine Selbsthilfegruppe kann Angehörige mit ihren Sorgen auffangen. Auf der Seite der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. lassen sich Gruppen in Ihrer Region suchen. Im Curamenta-Forum können Sie sich zum Thema auch digital austauschen. 

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Selbsttest Demenz

Sind Sie und Ihr Partner oder Ihre Partnerin unsicher, ob eine demenzielle Erkrankung vorliegt, kann unser Selbsttest Demenz einen ersten Aufschluss geben. Er ersetzt jedoch keinen Arztbesuch und keine medizinische Diagnose.