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Was Krebs mit der Psyche macht

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Blog Psychoonkologie
Eva-Maria Skoda © UDE (Universität Duisburg-Essen)

 

Eine Krebs-Diagnose stellt für viele Menschen einen großen Einschnitt im Leben dar. Neben dem körperlichen Leiden kann es dabei auch zu psychischen Belastungen und Erkrankungen kommen. Hier hilft die Psychoonkologie. Wie diese Disziplin zur Lebensqualität beitragen kann, erläutert Eva-Maria Skoda, Geschäftsführende Oberärztin an der LVR-Universitätsklinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Essen sowie Professorin für Psychoonkologie und Somatopsyche an der Universität Duisburg-Essen.

 

Frau Prof. Skoda, wie hängen Psyche und Krebs zusammen?

Jeder Mensch hat Körper und Psyche. Wird der Körper krank, macht das etwas mit unserer Seele, also unserem Fühlen und Denken. Ganz besonders gilt das bei Krebs. Dabei handelt es sich um eine stark angstbesetzte Erkrankung, die für viele Menschen einen großen Einschnitt im Leben bedeutet. Die Therapien belasten und ziehen sich meist über eine längere Zeit hin. Und eine Krebs-Diagnose konfrontiert mit der eigenen Endlichkeit. Das gilt auch für Menschen, die den Krebs überstanden haben. All das hat oft Auswirkungen auf die Psyche, manchmal so weit, dass Menschen seelisch erkranken.
 

Nicht alle Krebspatientinnen und -patienten erkranken auch psychisch. Wie kommt das?

Manche Menschen haben bewährte Strategien aus früheren Krisenzeiten oder bringen ohnehin eine erhöhte seelische Widerstandskraft mit. Wir sprechen dann von Resilienz. Verfügt jemand aber nur über wenig oder gar keine Resilienz, kann er zusätzlich psychisch erkranken. Das ist eher auch der Fall, wenn jemand bereits eine andere, womöglich psychische Vorerkrankung hat, kein soziales Netzwerk, das ihn unterstützt oder der Krebs besonders aggressiv ist.

 

Welche psychischen Erkrankungen treten in Verbindung mit Krebs am häufigsten auf?

Das sind vor allem Angsterkrankungen, Depressionen, Anpassungsstörungen und Traumafolgestörungen. Sie können entstehen aus Emotionen wie Wut, Traurigkeit, Frustration, einem Gefühl, der Krankheit ausgeliefert zu sein oder der Angst, zu sterben. Manche Menschen finden es unverschämt, was ihr Körper da macht. Andere kommen nicht damit zurecht, in der Partnerschaft nicht mehr den aktiven Part einzunehmen oder in der Arbeit nicht mehr die gewohnte Leistung abrufen zu können.

 

Wie kann die Psychoonkologie in dieser Situation helfen?

Wir unterstützen Betroffene und Angehörige dabei, mit der Wut und der Traurigkeit umzugehen, die der Krebs mit sich bringt. Auch mit dem Mitleid, mit dem einem andere begegnen. Es ist gut gemeint, führt aber oft zu Hilflosigkeit und Wut. Ganz allgemein unterstützen wir von der Diagnose bis zur Nachsorge, sodass eine psychische Erkrankung vielleicht erst gar nicht auftritt oder eher wieder abklingt.

Das ist wichtig, um trotz der körperlichen Erkrankung jeden Tag, der einem vielleicht noch bleibt, mit möglichst viel Lebensqualität zu verbringen. Wissenschaftliche Untersuchungen haben zudem gezeigt, dass Krebserkrankte, die mit ihrer Depression oder Angst alleingelassen werden, schlechter auf die Therapie ansprechen. Die Ursachen dafür sind noch nicht geklärt, aber vermutlich bleibt ihre ,Stressachse‘ dauerhaft aktiviert. Das kann den Verlauf der Krankheit ungünstig beeinflussen, bis dahin, dass manche Betroffene früher sterben. 

 

Was tut eine Psychoonkologin, ein Psychoonkologe konkret?

Vor allem sind wir da und hören zu, das hilft vielen Krebserkrankten bereits. Denn wir sind gerade nicht der Partner, die Partnerin oder jemand aus dem engen Umfeld. Bei uns muss man nicht stark sein oder weiterhin eine bestimmte Rolle erfüllen. Die eigene Angst vor dem Tod will nicht jeder mit dem Ehemann, der Ehefrau oder gar dem Kind teilen, weil diese dann auch Angst bekommen, was nur schwer auszuhalten ist. Im Gespräch mit uns aber müssen die Erkrankten keine Rücksicht darauf nehmen. Wir erkennen an, dass es sich um eine existenzielle Situation handelt, in der jemand seine Ängste und seine Verletzlichkeit zeigen darf. Wir verurteilen nicht. Mit uns zusammen können auch eigene, individuelle Ideen über das Sterben und den Tod entwickelt werden.

 

Wie können Sie helfen, große Ängste zu bewältigen?

Wir vermitteln verschiedene Entspannungs- und Achtsamkeitsbasierte Techniken, darunter den ,Gedankenstopp‘. Wir erklären zunächst, wie Gedanken unsere Gefühle und Handlungen prägen. Meist sind diese unbewusst.

Wer jedoch negative Gedanken, Überzeugungen und Glaubenssätze erkennt, kann sie innerlich mit einem ,Stopp‘ besser ausbremsen und stattdessen einen positiven Satz denken. Das erfordert Übung, führt aber zu angenehmeren Gefühlen und reduziert Stress. Darüber hinaus gibt es neben Gesprächen auch Kunst- und Familientherapie.

 

In einem großen Projekt, an dem mehrere Zentren beteiligt waren, hat Ihre Abteilung ,Reduct‘ entwickelt, ein Online-Tool zur Stressbewältigung bei Krebs. Kann jede Patientin, jeder Patient daran teilnehmen?

Wir sind besonders stolz auf dieses kostenlose Tool, das auch Menschen nutzen können, die keinen Zugang zu ambulanter Psychoonkologie haben oder lieber diesen digitalen Weg gehen wollen. Und ja, daran kann jeder teilnehmen, der eine Krebsdiagnose bekommen hat. Voraussetzung ist ein kurzes Gespräch, um in die damit verbundene Studie eingeschlossen zu werden, die aktuell noch läuft. Erste Rückmeldungen zeigen, dass die Teilnehmenden sehr zufrieden sind.

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Reduct

Mehr über psychoonkologische und digitale Unterstützung für krebserkrankte Patientinnen und Patieten und über die Reduct-Studie erfahren Sie in diesem Info-Flyer.

 

Was kann die Psychoonkologie nicht leisten?

Wir können den Krebs nicht ,wegmachen‘, auch wenn Patientinnen und Patienten sich das manchmal erhoffen. Umgekehrt gibt es aber auch keine ,Krebspersönlichkeit‘. Man ist nicht ,schuld‘, weil man sich zu viel oder zu wenig gesorgt hat. Das zu erfahren, entlastet manche Erkrankte, die zuvor unter Schuldgefühlen litten.

 

Wieso sind Sie selbst Psychoonkologin geworden?

Ich finde es wichtig, mich der Vergänglichkeit meiner Patientinnen und Patienten und damit meiner eigenen zu stellen.

Wenn wir als Psychotherapeutinnen und -therapeuten in diesem Zusammenhang mutig sein können, dann können unsere Patientinnen und Patienten es auch sein.