Sorgen, Trauer, Wut oder das Gefühl von Hilflosigkeit: So kann Klimaangst aussehen. Am ZfP in Wangen gibt es dagegen die sogenannte Klimasprechstunde. Wir erklären, wie die Sprechstunde abläuft, und wie Sie selbst einen Termin bekommen können.
„In was für einer Welt werden meine Töchter später leben?“, sorgt sich Viola Berger, „wird es noch eine intakte Natur geben trotz Klimawandels und zunehmender Umweltzerstörung?“ Als ihr selbst auffällt, dass sie ständig darüber nachgrübelt und wegen ihrer Befürchtungen innerlich angespannt ist, vereinbart sie einen Termin in der Klimasprechstunde beim ZfP Südwürttemberg in Wangen.
Begründete Sorgen
„Ist das noch normal?“, fragt sie als erstes. Die Antwort: „Solche Ängste haben angesichts steigender Temperaturen oder etwa vermehrter Extremwetterereignisse eine reale Ursache und sind nachvollziehbar“, sagt der Dr. Hans Knoblauch, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie.
Was ist Klimaangst? Wie zeigt sich Klimaangst?
Mit ihrer Frage und ihren Befürchtungen ist Viola Berger, die eigentlich anders heißt, nicht allein. Klimaangst ist ein Phänomen unserer Zeit.
Eva-Lotta Brakemeier definiert Klimaangst als eine „tiefe emotionale Reaktion auf die wahrgenommenen Bedrohungen durch die Klimakrise und deren weitreichende Folgen“. Brakemeier ist Professorin für Psychologie an der Universität Greifswald. Klimaangst zeige sich durch zunehmende Sorge und Angst und könne einhergehen mit Gefühlen wie Traurigkeit, Wut, Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit.
„Wir sprechen in diesem Zusammenhang auch von ,Klimaemotionen‘“, erläutert Monika Stöhr, „dazu kann ein körperliches Erleben kommen wie ein Kloß im Hals oder Druck im Bauch.“
Klimaangst ist an sich keine psychische Krankheit
„Die sogenannte Klimaangst kann einen zwar im Alltag beeinträchtigen, aber das macht sie nicht zu einer Krankheit. Das betonen wir immer.“, erläutert Privatdozent Dr. Hans Knoblauch. Seit rund drei Jahren bieten er und die Psychologin Monika Stöhr die Klimasprechstunde an. Mit den Menschen, die zu ihnen kommen, entwickeln sie dort individuelle Wege für einen gesünderen Umgang mit diesem belastenden Thema – ein in Deutschland wohl einzigartiges Angebot.
Wie häufig ist Klimaangst?
In einer Studie in zehn Ländern im Jahr 2021 gaben mehr als 45 Prozent der befragten jungen Menschen im zwischen 16 und 25 Jahren an, dass ihre Gefühle zum Thema Klimakrise und deren Folgen ihr tägliches Leben negativ beeinflusse. 56 Prozent schilderten ein Gefühl der Machtlosigkeit.
Die jährliche Studie der R+V Versicherung zu den Ängsten der Deutschen ergab in 2025, dass Ängste vor dem Klimawandel mit 36 Prozent auf Platz 16 aller Ängste rangierten. 2024 hatten sie noch 42 Prozent beunruhigt.
In einer Ära der Dauerkrisen können verschiedene Ängste in den Vordergrund treten und einander abwechseln, wie auch Dr. Hans Knoblauch beobachtet hat. Suche jemand die Klimasprechstunde auf, „dann fragen wir zunächst immer, welche Fragen die Menschen gerne beantwortet hätten, denn die Sorgen der Klienten sind letztlich sehr individuell.“
Darüber machen sich die Menschen in der Klimasprechstunde Sorgen
Monika Stöhr berichtet, dass manche Ratsuchende damit haderten, nicht mehr für den Klimaschutz tun zu können, als sie eigentlich wollten: „Sie würden etwa gerne ihr eigenes Auto abschaffen, leben aber auf dem Land und sind darauf angewiesen.
Eine andere Klientin hatte bereits einen Burnout erlitten, weil sie sich zu stark im Klimaschutz engagiert hatte. Sie suchte nach einer Antwort darauf, ob sie sich wieder einbringen solle – und wenn ja, wie es ihr gelingen könnte, dabei nicht wieder in eine Erschöpfung zu gleiten.
Der Widerspruch zwischen eigenem Anspruch und realen Optionen, zwischen globalem Thema und persönlichen Möglichkeiten, führe zu einer „kognitiven Dissonanz“, die belastend wirken könne. „Wir versuchen dann, gemeinsam einen Mittelweg zu finden, um dem Thema gerecht zu werden“, sagt Dr. Hans Knoblauch: „Es geht einerseits darum, sich buchstäblich nicht verrückt zu machen, andererseits aber auch eigene Bedürfnisse, Sorgen und Emotionen nicht zu verdrängen.“ Ziel der Klimasprechstunde sei es, im Gespräch auf Augenhöhe Lösungsansätze zu finden.
Einen gesunden Umgang finden
„Letztlich geht es um die Frage, was unsere Klienten selbst tun können, damit es ihnen wieder besser geht“, sagt Monika Stöhr, „und wie sie dank ihrer eigenen Ressourcen anders mit ihrer jeweiligen Situation umgehen können.“
Wichtig sei es, dass die Menschen aus einer automatisierten Alarmreaktion herausfänden und sich wieder bewusst dafür entscheiden könnten, wie sie sich verhalten wollten. „Ein wesentlicher Aspekt ist es häufig auch, ein Gefühl von Lähmung und Ohnmacht zu überwinden und selbstwirksam zu werden“, ergänzt Dr. Hans Knoblauch.
Was hilft gegen Klimaangst?
- Aktiv werden
Um sich nicht selbst länger regelrecht mit grübelnden Gedanken und Sorgen zu „hypnotisieren“, raten die Experten dazu, aktiv zu werden und so wieder ins Handeln zu kommen. Jeder und jede kann sich dazu fragen:- Wo und wie kann ich mich engagieren, mich vernetzen?
- Wie kann ich meine persönlichen und vielleicht auch beruflichen Fähigkeiten gegen den Klimawandel einsetzen?
- Wo finde ich Menschen, mit denen ich mich über meine Sorgen austauschen kann und die mir das Gefühl geben, damit nicht allein zu sein?
Dr. Hans Knoblauch und Monika Stöhr ging es genauso: Sie haben die Klimasprechstunde auch deshalb ins Leben gerufen, weil sie angesichts des Klimawandels selbst aktiv werden wollten – an ihrem Arbeitsplatz und mit den Fähigkeiten, die sie selbst einbringen können. Das kann für jeden Menschen, der sich engagieren möchte, anders aussehen.
- Darauf achten, wie viel Zeit man dem Thema widmet
Manche Menschen sind bereits überengagiert. Hier kann weiger mehr sein. Ihnen kann es vielleicht helfen,
- sich nur eine begrenzte Zeit in der Woche mit dem Thema Klimawandel zu befassen.
- sich auch für Social Media ein Zeitlimit zu setzen, dort auch anderen Accounts zu folgen und nicht nur Klimathemen oder sich nicht in Diskussionen zu verlieren.
- ein Hobby wieder aufzunehmen, das vernachlässigt wurde und das für Ausgleich sorgen kann.
Ein Stück weit Loslassen ist das Motto – für eine Balance zwischen Aktivwerden und Entspannen.
- Sich wieder mit der Natur verbinden
Bei „Klimaangst“ empfehlen die beiden Experten gerade, mehr in die Natur zu gehen. Ohne Handy unterwegs sein, den Wind spüren, die Blätter rascheln hören, Farben und Gerüche im Wald oder auf der Wiese wahrnehmen.
Positive Erfahrungen sind keine Schönmalerei, sondern nötig
Gute Erfahrungen sollten nicht als bloße Ablenkung von Problemen gesehen werden. Sie können sogar helfen, sich daran zu erinnern, wofür man sich einsetzt: „Wir brauchen auch diese positiven Emotionen: Freude an der Natur, die Fähigkeit, sich in der Natur aufhalten, ohne ständig nur den Blick auf das Negative zu richten oder ein schlechtes Gewissen zu haben. Es heißt ja, man schützt das, was man liebt. Ich würde sagen, wir schützen das, mit dem wir uns verbunden fühlen. Manchmal steigt dann auch die Motivation, etwa in der eigenen Stadt Politiker anzusprechen, damit vor Ort auch von höherer Stelle mehr für den Klimaschutz getan wird.“, so Monika Stöhr.
ZfP-Klimasprechstunde
E-Mail an Dr. Hans Knoblauch (hans.knoblauch@zfp-zentrum.de) oder an Monika Stöhr (monika.stoehr@zfp-zentrum.de) sowie ein Anruf unter 07522/97 28 000.
Um Hilfe und Orientierung zu bitten, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke und Selbstwirksamkeit.