Erfahren Sie hier, was oligoantigene Ernährung bedeutet und wie sie ADHS-Symptome und womöglich auch die Medikamentendosis verringern kann.
In der Schule zuhören, Zusammenhänge verstehen, lernen? Vielen Kindern fällt das schwer. Sie können nicht stillsitzen, sich nicht konzentrieren und handeln impulsiv. Manche von ihnen leiden an ADHS, einer Aufmerksamkeits-Defizit-Störung mit Hyperaktivität. Die meisten von ihnen leiden später als Erwachsene zum Teil noch unter Symptomen. Oft nehmen sie gegen die Symptome Medikamente. Soweit das Bekannte.
Schon gewusst? So häufig kommt ADHS vor
Die richtige Ernährung kann Wunder wirken
Was viele Eltern und erwachsene Betroffene nicht wissen: Die Ernährung kann eine maßgebliche Rolle spielen. Sie kann ADHS zwar nicht heilen. Sie kann aber dazu beitragen, Symptome zu lindern und den Bedarf an Arzneimitteln zu reduzieren.
Was bedeutet „oligoantigen“?
Im Fokus der Forschung steht dabei besonders die „oligoantigene Ernährung“. Sich oligoantigen zu ernähren heißt, bestimmte Lebensmittel wegzulassen: „Oligo“ bedeutet „wenig(e)“, „antigen“ bezeichnet einen Stoff, der eine unerwünschte Reaktion auslösen kann wie Unverträglichkeiten oder eine Allergie.
„Kandidaten“ dafür sind Produkte aus Kuhmilch, Ei, Fisch, glutenhaltiges Getreide, Soja, Nüsse, und Zusatzstoffe, die vor allem in Fertiggerichten vorkommen (Farb-, Süß- und Konservierungsstoffe). Eine Liste dazu findet sich etwa bei den „Ernährungsdocs“ des NDR. Die genannten Lebensmittel können auch Menschen zu schaffen machen, die nicht an ADHS leiden.
So funktioniert die oligoantigene Ernährung
Wichtig: Die Entscheidung für eine oligoantigene Ernährung sollte nur mit einer professionellen Begleitung etwa durch eine Ernährungswissenschaftlerin erfolgen, damit keine Mangelerscheinungen auftreten.
Wer sich dafür entscheidet, geht in folgenden Schritten vor:
- Phase 1 (etwa vier Wochen): Hier verzichtet man auf die genannten Lebensmittel und ernährt sich vor allem von Gemüse und Obst, Kartoffeln, glutenfreiem Getreide, weißem Fleisch und pflanzlichen Milchalternativen.
- Phase 2 (drei bis vier Monate): Die gemiedenen Produkte werden Schritt für Schritt wieder in den Speiseplan eingebaut. In einem Ernährungstagebuch lässt sich festhalten, welche Lebensmittel womöglich wieder Kopfschmerzen oder Verdauungsprobleme verursachen, die zuvor abgeklungen waren.
Warum kann Essverhalten ADHS-Symptome beeinflussen?
Seit einiger Zeit erst ist in der Medizin bekannt, dass es eine überaus wichtige Verbindung gibt zwischen Bauch und Kopf, zwischen Verdauung und Denken – die „Darm-Hirn-Achse“. Dabei handelt es sich um eine Art Datenautobahn, die vor allem den längsten unserer Gehirnnerven nutzt, den Vagusnerv. Dieser reicht bis in den Bauchraum hinab und sorgt dafür, dass Botenstoffe aus dem Darm, unserem „zweiten Gehirn“, bis hinauf ins eigentliche Gehirn gelangen und umgekehrt.
Die Art der Botenstoffe wiederum hängt in erster Linie von der Darmflora ab, dem „Mikrobiom“ in unserem Darm. Je gesünder, ausgewogener und vielfältiger seine Bakterienbesiedlung ist, desto „fitter“ können wir auch im Kopf sein. Die genannten Nährstoffe, die im Verdacht stehen, Allergien zu fördern, bewirken eher das Gegenteil.
Es hat sich gezeigt, dass ein Verzicht auf Gerichte, die potenziell Allergien hervorruft, Symptome von ADHS verringern kann – insbesondere auch, wenn es gelingt, weniger Zucker zu konsumieren, der nicht nur in Schokolade steckt, sondern auch in süßen Limonaden sowie in vielen Fertiggerichten wie etwa Pizza.
Ein Fallbeispiel: Wie oligoantigene Ernährung gelingen kann
Was die oligoantigene Ernährung bewirken kann, darüber berichten die „Ernährungs-Docs“ eindrucksvoll am Beispiel des elfjährigen Lenni, der an ADHS leidet. Es braucht Geduld und Zeit für seine Familie und ihn selbst, die Ernährung umzustellen, und etwa Schritt für Schritt gewohnt süße Getränke mit immer mehr Wasser zu verdünnen. Nach acht Wochen sagt Lenni von sich selbst, dass er sich besser konzentrieren könne, seiner Mutter erscheint er weniger „aufgedreht“.
Lenni hat aber nicht nur weniger glutenhaltige Pfannkuchen, Weißmehlbrötchen mit Schokonussaufstrich und Limo zu sich genommen, sondern zugleich mehr gesunde Lebensmittel in die Ernährung integriert. Die „guten“ Darmbakterien lieben sogenannte Probiotika aus fermentierten und milchsauren Lebensmitteln wie Joghurt, Kefir, Skyr, Sauerkraut oder Kimchi, die von sich aus schon „gute“ Bakterien enthalten.
Lenni hat auch mehr Vollkornprodukte, Obst und Gemüse gegessen – nach dem Regenbogenprinzip: Rote Tomaten, gelbe Paprika, grüne Gurken oder auch blaue Heidelbeeren enthalten gesunde Nährstoffe wie Vitamine und entzündungshemmende Antioxidantien, die das Immunsystem stärken und günstige Darmbakterien füttern.
Vor allem die vielen Ballaststoffe aus Pflanzenfasern (und etwa Hülsenfrüchten) werden von ihnen zu kurzkettigen Fettsäuren abgebaut, die wiederum das Gehirn freuen, weil es damit gut arbeiten kann. Es benötigt zudem Omega-3-Fettsäuren, die in Walnüssen, Leinsamen, Fisch oder Algenöl stecken. Bei Lenni hat sich der Wert für Omega-3-Fettsäuren im Blut verdoppelt. Auch seine häufigen Bauchkrämpfe sind verschwunden.