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Wie Bewegung der Psyche hilft

Körper und Psyche gehören eng zusammen. Deshalb kann Sport die Stimmung heben und bei psychischen Erkrankungen erstaunliche therapeutische Effekte haben. Das Ausdauertraining „Beat the Blues“ an der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Gießen erspart Patientinnen und Patienten manchmal sogar die Antidepressiva.

„Wenn du deprimiert bist, ist es ungeheuer wichtig, eine ganz bestimmte Haltung einzunehmen“, sagt Charlie Brown im Comic „Peanuts“ zu Lucy. Mit hängendem Kopf ergänzt er: „Das Verkehrteste, was Du tun kannst, ist aufrecht und erhobenem Kopf dazustehen, weil du dich dann sofort besser fühlst.“ Wie recht der Zeichner Charles M. Schulz hatte. Er nahm im 20. Jahrhundert vorweg, was Studien inzwischen bewiesen haben: Körper und Psyche sind eine Einheit. Körperhaltung, innere Haltung und seelische Verfassung bedingen einander. Das gilt umso mehr für Sport und Psyche: Bewegung kann bei psychischen Erkrankungen viel dazu beitragen, sich dauerhaft besser zu fühlen.

 

Wie Ausdauersport gegen Depression helfen kann

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„Gerade bei depressiven Episoden spielt Bewegung eine wichtige Rolle“, sagt Dr. Johannes Krautheim, Oberarzt der Schwerpunktstation Depressionen an der Vitos Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Gießen. Die Effekte von Sport seien vor allem in den vergangenen 20 Jahren gut erforscht worden. Das gelte für Kraft- und Koordinationsübungen, aber besonders auch für Ausdauersport. Regelmäßig ausgeführt, kann er ähnlich wirken wie Antidepressiva –  das zeigten sogar Veränderungen im Gehirn.

An der Klinik setzt Dr. Krautheim deshalb gemeinsam mit der Psychologin Leonie Wolf und Bewegungstherapeutin Hannah Hartmann sogar ein eigenes antidepressives Ausdauertraining ein, als fester Bestandteil der Therapie. Mit täglich 30 Minuten des Programms „Beat the Blues“ sollen Patientinnen und Patienten noch besser aus der typischen Antriebslosigkeit wieder in die Lebendigkeit und ins Tun finden. 

Und die Ergebnisse sind beeindruckend. „Die Patienten bemerken, dass sie positive Effekte spüren“, berichtet Hannah Hartmann, die „Beat the Blues“ mit aufgebaut hat. „Dazu gehören körperliche Veränderungen, der Stolz, es jeden Tag aufs Neue geschafft zu haben und erhöhtes Selbstbewusstsein.“ Sport verbessert damit auch die Selbstwirksamkeit. Ist die Depression noch nicht zu weit fortgeschritten, können die Teilnehmenden gegebenenfalls zunächst auf Medikation verzichten; in einem zweiten Schritt wird geprüft, ob Bewegung allein ausreicht, um therapeutische Effekte zu erzielen. Studien haben gezeigt, dass Joggen insbesondere bei Depressionen wirksam sein kann. Und das nicht nur dadurch, dass Sport von den eigenen Beschwerden wie Gedankenkreisen abzulenken vermag. Ausdauersport führe nach der Beanspruchung zudem zu einer Erholungsphase: „Stresshormone können abgebaut werden“, betont Leonie Wolf.

 

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Was geschieht bei Bewegung und Sport in Körper und Gehirn?

Jede Form von Bewegung benötigt Energie. Ob beim Treppensteigen, bei der Gartenarbeit oder aber beim Laufen: Die Belastung führt dazu, dass der Sauerstoffbedarf steigt – und der Mensch tiefer und intensiver ein- und ausatmet. Das Herz schlägt kräftiger, so wird der ganze Körper besser durchblutet und auch das Gehirn gründlicher mit frischem Sauerstoff versorgt. Gleichzeitig wird der Stoffwechsel angekurbelt und verbraucht Eiweiß, Fette, Zucker.

Wer regelmäßig trainiert, spürt bald den Effekt: Das Herz schlägt bei Belastung langsamer, die feinen Gefäße in den Muskeln werden gekräftigt, ebenso die Muskeln selbst. Besonders interessant sind die Veränderungen im Gehirn: „Glückshormone“ wie Serotonin und Noradrenalin werden verstärkt ausgeschüttet, ebenso schmerzlindernde Endorphine. Sie alle sorgen für eine Stimmungsaufhellung und verringern so den Eindruck in der Depression, alles in der Welt sei grau in grau.

 

Studien belegen: Sport kann bei psychischen Erkrankungen helfen

Eine deutsche Studie zeigte, dass sich die Lebensqualität von Menschen mit Depressionen, Angst- oder Suchterkrankungen durch Sport deutlich verbessert. Gerade bei Angsterkrankungen kann Sport „anxiolytisch“ wirken, also „angstlösend“: Panikattacken treten seltener auf, sogar die Angst vor der Behandlung bei Zahnarzt oder Zahnärztin kann abnehmen. Auch präventiv hat sich Sport bewährt: In den USA konnte eine große Untersuchung nachweisen, dass Menschen, die regelmäßig Sport treiben, seltener überhaupt an einer Depression erkranken. Wer an einer Psychose erkrankt, kann durch Sport gleichfalls eine Verringerung seiner Symptome erreichen. Eine Studie an der Universitätsklinik München belegte, dass Training auf dem Fahrradergometer, in Verbindung mit dem Hirnleistungstraining „Cogpack“, nach drei Monaten nicht nur die kognitiven Leistungen und soziale Fertigkeiten verbesserte, sondern die Patientinnen und Patienten weniger unter wahnhaften Beschwerden litten sowie unter depressiven Symptomen.

Da Sport nachweislich dazu beiträgt, dass neue Nervenzellen im Gehirn gebildet werden, kann er zudem bei neurodegenerativen Erkrankungen hilfreich sein. So hat der Sportwissenschaftler Christian Haas entdeckt, dass Laufen oder Skifahren „eine wirksame Therapie bei der Parkinsonerkrankung sein kann“. Auch vorbeugend oder bei einer bereits begonnenen Demenz kann Sport positive Effekte haben.

 

Wie man es schafft, sich zum Sport aufzuraffen

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Wie nun aber den inneren Schweinehund überwinden? Das fällt vielen Menschen schwer, und beipsychischen Erkrankungen ist gerade Mut- oder Antriebslosigkeit ein zentrales Symptom. Wer aber einmal den Einstieg gefunden hat, etwa stationär oder ambulant, hat gute Voraussetzungen, um dabei zu bleiben. Ein Beispiel: Die Ambulanz der Vitos Klinik Bamberger Hof in Frankfurt etwa ist eine Kooperation mit dem Frankfurter Turnverein 1860 eingegangen: Patientinnen und Patienten können dessen verschiedene Angebote kostenfrei nutzen und sich sogar die Bewegungsform aussuchen, die ihnen am meisten entspricht. Nach der Behandlung ist das „Dranbleiben“ damit einfacher. Generell gilt, dass Sport zusammen mit anderen unterstützend wirkt: ob im Verein, einem Yogakurs, in der Laufgruppe oder der Volkshochschule.