Depressionen sind weit verbreitet. Fast jeder fünfte Mensch in Deutschland erkrankt einmal im Leben an dieser psychischen Störung. Viele trifft es unvorbereitet. Unser Wegweiser beantwortet die dringendsten Fragen zu Symptomen, Diagnose, Therapie und dem Umgang mit der Erkrankung.
Nichts macht mehr so richtig Spaß, ist das schon eine Depression?
Es ist nicht ungewöhnlich, einmal niedergeschlagen zu sein, sich nicht zum Sport aufraffen zu können oder allein sein zu wollen, statt sich mit Freundinnen und Freunden zu treffen. Vielleicht ist die Arbeit gerade sehr anstrengend oder es gibt Streit mit Partner oder Partnerin, sodass man mehr Zeit für sich braucht. Hält diese Grundstimmung weniger als zwei Wochen an und verschwindet von selbst wieder, spricht man von einer depressiven Verstimmung – die keiner Behandlung bedarf. Besteht die Antriebslosigkeit aber länger, erscheint einem alles dauerhaft freudlos und nur noch „grau in grau“, kann man schlecht einschlafen und wacht morgens zu früh auf, kreisen im Kopf die Gedanken und hat man keinen Appetit, dann könnten dies Hinweise auf eine Depression sein. Zu weiteren möglichen Symptomen gehören Schuldgefühle, manchmal auch körperliche Beschwerden wie Magen-Darm-Probleme sowie mangelndes Selbstwertgefühl. Vor allem bei Männern kann erhöhte Reizbarkeit ein Hinweis sein auf eine sogenannte „agitierte Depression“. Oft scheint es keinen klar erkennbaren Grund für die Erkrankung zu geben.
Was tun bei Anzeichen einer Depression?
Unser Selbsttest gibt Betroffenen eine erste Orientierung, ersetzt aber keinen Besuch bei Ärztin oder Arzt. Eine Depression ist eine psychische Erkrankung, die sich umso besser behandeln lässt, je früher sie erkannt wird. Deutet der Test auf eine Depression hin oder haben Betroffene unabhängig davon selbst den Eindruck, sollten sie daher einen Termin bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt machen. Zudem können sie sich auf Curamenta registrieren und direkt über die Plattform ein Erstgespräch in einer der angeschlossenen Klinikambulanzen vereinbaren. Sind Menschen nicht mehr in der Lage, morgens aufzustehen oder äußern sie womöglich Suizidgedanken, können Angehörige, Freundinnen oder Freunde sie ermuntern, gemeinsam die Notaufnahme einer Psychiatrischen Klinik aufzusuchen. Weigern sich die Betroffenen, kann auch der Notruf verständigt werden. Notärztinnen und -ärzte werden entscheiden, ob der erkrankte Mensch zu seinem Wohl zunächst in eine Klinik gebracht wird, um eine Diagnose zu stellen.
Wie kommt es zur Diagnose?
In der Regel wird die Hausärztin oder der Hausarzt zunächst ausschließen, ob es eine körperliche Ursache für die psychischen Beschwerden gibt – etwa ein verschleppter Infekt oder eine Erkrankung der Schilddrüse. Ist das nicht der Fall, erhalten Betroffene meist eine Überweisung zur einer Fachärztin oder einem Facharzt für Psychiatrie (niedergelassen oder in einer Psychiatrischen Klinik). Da sie in der Regel länger darauf warten müssen, verschreibt bereits Hausärztin oder Hausarzt ab einer mittelgradigen Depression Antidepressiva. Alternativ oder parallel können sich Betroffene selbst um einen Therapieplatz bei einer Psychotherapeutin oder einem Psychotherapeuten bemühen. Zur Diagnostik wird anhand der Beschwerden ein „Psychopathologischer Befund“ erhoben. Anhand dessen lässt sich einschätzen, um welches Krankheitsbild es sich handelt.
Wie finde ich einen Therapieplatz?
Für die stationäre Therapie in einer Klinik erhalten Betroffene eine ärztliche Überweisung. Voraussetzung ist eine schwere depressive Störung. Bei einer leichten oder mittelgradigen Depression ist Eigeninitiative gefordert, wenn jemand therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen möchte. Die jeweilige Krankenkasse hält Listen mit Namen von Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten bereit, die Interessierte selbst abtelefonieren müssen. Ein Erstgespräch ist meist schnell zu bekommen, danach aber kann die Wartezeit auf einen freien Platz rund ein halbes Jahr dauern. Bei einer mittelgradigen Depression können Betroffene sich auch um einen Platz in einer Tagesklinik bewerben.
Wie wird eine Depression therapiert?
Eine Depression kann mit leichten, mittelschweren und schweren Symptomen verbunden sein, wobei die Fähigkeit, den eigenen Alltag zu bewältigen, immer weiter abnimmt. Je nach Schweregrad hilft eine Gesprächspsychotherapie. Wenn erforderlich, kommen Medikamente wie Antidepressiva hinzu sowie in einer Klinik auch Kunst- oder Musiktherapie. Auch eine Selbsthilfegruppe kann unterstützend wirken.
Arbeiten trotz Depression?
Nur bei sehr leichten Symptomen einer Depression ist das Arbeiten weiterhin möglich. Häufig werden Betroffene krankgeschrieben, um sich ganz auf ihre Gesundung zu konzentrieren. Sie sind damit nicht allein. Jedes Jahr erkrankt fast jede zehnte Person in Deutschland an einer Depression.
Autofahren mit Antidepressiva?
Medikamente, die bei Depressionen verschrieben werden, können zumindest am Anfang das Reaktionsvermögen und damit die Fahrtüchtigkeit beeinträchtigen. Betroffene sollten mit ihrer behandelnden Ärztin oder ihrem behandelnden Arzt abklären, ob sie auch bei Einnahme entsprechender Medikamente weiterhin Auto fahren können.
Muss dem Arbeitgeber die Diagnose mitgeteilt werden?
Nein. Noch bevor die Diagnose „Depression“ feststeht, kann die Hausärztin oder der Hausarzt Betroffene bereits krankschreiben. Ist die Diagnose bestätigt, muss dem Arbeitgeber zwar die Krankschreibung mitgeteilt werden, nicht aber der Grund.
Droht bei langer Krankschreibung der Verlust des Jobs?
Krankschreibungen sind zunächst für bis zu sechs Wochen möglich, etwa auch für die Dauer eines Klinikaufenthaltes. Wird die Krankschreibung fortgesetzt, zahlen danach die Krankenkassen das Gehalt, ohne dass Betroffene um ihre Anstellung fürchten müssen. Dauert die Krankschreibung jedoch sehr lange und gibt es eine negative Prognose darüber, ob jemand in seinen Beruf zurückkehren wird, kann der Arbeitgeber dem betreffenden Mitarbeitenden kündigen. Ein rechtzeitiges Gespräch mit der Betriebsärztin oder dem Betriebsarzt (sie oder er ist an die Schweigepflicht gebunden) kann bei langen Krankschreibungen hilfreich sein, um eine mögliche Lösung zu finden – etwa auch für eine Weiterbeschäftigung in Teilzeit.
Wie können Angehörige, Freundinnen und Freunde helfen?
Angehörige und enge Freundinnen und Freunde können wichtige Vertraute und Stützen sein. Sie sind aber keine Therapeutinnen und Therapeuten. Es ist daher wichtig, die eigenen Grenzen zu erkennen und sich genügend Zeit für sich selbst und etwa ein Hobby zu nehmen. Es darf einem gut gehen, auch wenn der Partner, die Partnerin oder das eigene Kind erkrankt ist. Nur so sammeln Angehörige genügend Kraft, um den gemeinsamen Alltag zu meistern. Zudem nehmen Erkrankte oft keine noch so gut gemeinten Ratschläge an oder verschließen sich mehr als sonst. Dieses Verhalten ist ein Symptom der Erkrankung und keine persönliche Zurückweisung. Es kann entlasten, eine Selbsthilfegruppe für Angehörige von psychisch Erkrankten zu besuchen, um die eigenen Erfahrungen zu teilen und voneinander zu lernen.
Wie sagt man Kindern, dass Mutter oder Vater an einer Depression leidet?
Kinder haben schon früh ein sehr gutes Gespür dafür, wie es ihren Eltern geht. Zumal, wenn sie sich ihnen gegenüber anders verhalten als zuvor. Wenn sie traurig wirken oder etwa nicht mehr mit ihnen kuscheln wollen. Es ist wichtig, auf diese berechtigten Wahrnehmungen einzugehen und Kindern ehrlich und auf eine altersgerechte Weise zu erklären, dass Mama oder Papa erkrankt sind und Fachleute sich um sie oder ihn kümmern. Älteren Schulkindern kann man auch sagen, dass es sich um eine Depression handelt, damit sie sich keine zusätzlichen Sorgen machen, woran Mutter oder Vater erkrankt sind. Ebenfalls sollte angesprochen werden, dass die möglicherweise als abweisend empfundene Art des Elternteils mit dieser Erkrankung zu tun hat – und auf keinen Fall mit den Kindern. So lässt sich vermeiden, dass Kinder Schuldgefühle entwickeln, weil sie fürchten, die Krankheit verursacht zu haben und deshalb nun vielleicht nicht mehr geliebt werden. Das ist umso wichtiger, da Kinder und der erkrankte Elternteil regelmäßig Zeit miteinander verbringen sollten, um die gegenseitige Beziehung zu stärken. Gleichzeitig sollte die Alltagsstruktur der Kinder beibehalten werden: mit Schulbesuch, Treffen mit Freundinnen und Freunden, festen Zeiten für Mahlzeiten und Schlafengehen sowie eigene Hobbys, um die Resilienz der Kinder zu stärken.
Hilfsangebote bei Suizid-Gedanken
Telefon: 0800 – 111 0 111, Chat und E-Mail: https://online.telefonseelsorge.de/