Was ist Abhängigkeit?
Abhängigkeit ist eine ernsthafte Erkrankung, die potenziell jeden Menschen treffen kann. Sie ist gekennzeichnet durch Zwang und Kontrollverlust: Der Konsum des Suchtmittels ist für Betroffene keine freie Entscheidung mehr.
Das liegt einerseits an einer psychischen Abhängigkeit. Sie entsteht dadurch, dass das Suchtmittel im Gehirn ein Gefühl der Belohnung und des Wohlbefindens auslöst. Betroffene verspüren den unüberwindbaren Drang, diesen Zustand immer wieder zu erleben und konsumieren dafür den Suchtstoff. Das starke Verlangen wird auch als „Craving“ bezeichnet. Es führt dazu, dass abhängige Menschen viel Zeit und Energie für die Beschaffung des Suchtmittels aufwenden.
Andererseits kann sich je nach Substanz eine körperliche Abhängigkeit einstellen. Betroffene bauen eine Toleranz auf: Mit der Zeit benötigen sie immer höhere Dosen des Suchtmittels, um die gleiche Wirkung zu spüren. Bleibt der (erhöhte) Konsum aus, stellen sich körperliche Entzugserscheinungen ein.
Beim schädlichen Konsum sind negative körperliche, psychische und/ oder soziale Folgen eingetreten, ohne dass die oben beschriebenen psychischen oder körperlichen Abhängigkeitszeichen vorliegen.
Welche Arten von Abhängigkeit gibt es?
Man kann sowohl von einem bestimmten legalen oder illegalen Stoff abhängig sein als auch von Erlebnissen oder Zuständen.
Zu den stofflichen Suchtmitteln gehören legale Substanzen wie z.B. Alkohol, Tabak, Koffein, Lösungsmittel, Tabletten und Medikamente wie Analgetika, Schmerzmittel und Benzodiazepine sowie illegale Drogen wie Amphetamine, Cannabis (Marihuana), Halluzinogene, Heroin, Kokain, Methamphetamin wie Crystal Meth und weitere.
Nicht-stoffliche Abhängigkeiten sind z.B. Kaufsucht, Spielsucht, Sexsucht oder Mediensucht.
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Auf psychischer Ebene sind das unüberwindbare Verlangen nach dem Suchtstoff, der Kontrollverlust sowie die Abstinenzunfähigkeit Kennzeichen eines problematischen Konsumverhaltens.
Abhängige Personen ziehen sich zudem aus ihrem sozialen Umfeld zurück, da sie ihr Leben auf die Sucht und die Beschaffung des Suchtmittels ausrichten. Freunde, Familie sowie die Arbeit werden vernachlässigt, Konflikte riskiert.
Auf körperlicher Ebene treten je nach Substanz oder Dauer der Einnahme einerseits vielfältige Entzugserscheinungen auf, wenn der Suchtstoff nicht konsumiert wird. Sie reichen je nach Suchtmittel von Zittern über Schlafstörungen, Brechreiz und Kreislaufzusammenbrüche bis hin zu psychischen Störungen. Andererseits kann die dauernde Aufnahme des Suchtmittels zu schweren körperlichen Begleiterscheinungen führen.
Woran erkenne ich, ob ich abhängig bin?
- Ich spüre ein starkes Verlangen nach einem bestimmten Stoff oder Zustand, das ich kaum kontrollieren kann.
- Ich beschäftige mich viel oder permanent damit, wie ich den Stoff beschaffen oder mich in den gewünschten Zustand versetzen kann.
- Ich riskiere Konflikte mit Freunden und Familie und vernachlässige mein soziales Umfeld.
- Mein Körper leidet an meinem Konsum.
- Ich kann nicht mehr ohne das Suchtmittel auskommen und brauche sogar immer mehr davon.
- Es sind durch den Konsum negative körperliche, psychische und/ oder soziale Folgen eingetreten.
Hier kommen Sie zum Selbsttest Alkoholkonsum.
Hier kommen Sie zum Selbsttest Drogenmissbrauch & Drogenabhängigkeit.
Die Podcastfolge "Abhängigkeit überwinden: Ein Blick auf Risiken, Hilfe und Prävention" des Podcasts "anders.echt.normal" vom Pfalzklinikum widmet sich dem Thema Abhängigkeit und Behandlungsmöglichkeiten. Sie gelangen hier oder hier zum Podcast.
Wie erkennt eine Ärztin oder ein Arzt, ob ich abhängig/süchtig bin?
Die meisten Betroffenen sind nicht in der Lage, ihre Sucht ohne professionelle Hilfe zu überwinden. Dennoch suchen sie ihre Ärztin oder ihren Arzt meist nicht wegen der Abhängigkeitserkrankung oder Suchtproblemen auf, sondern aufgrund von körperlichen oder seelischen Leiden, die in manchen Fällen durch die übermäßige Einnahme einer Substanz entstanden sind.
Im Rahmen der Anamnese wird eine Ärztin oder ein Arzt danach fragen, ob und welche Substanzen konsumiert werden und in welchen Mengen. Auch psychische Symptome werden abgefragt – etwa, ob Stimmungsschwankungen oder Gereiztheit vorliegen. Eine Rolle spielt auch das soziale Umfeld, in dem sich der oder die Betroffene bewegt.
Körperliche Untersuchungen ergänzen den Weg zur Diagnose; dazu gehören insbesondere Blutuntersuchungen. Manche Substanzen lassen sich im Blut oder Urin nachweisen, wozu jeweils eine Probe analysiert wird.
Am besten helfen Sie Betroffenen dadurch, dass Sie informiert sind. Welche Folgen hat eine Suchterkrankung und auf was müssen Sie sich vorbereiten? Nutzen Sie professionelle Beratung und den Austausch mit Menschen in der gleichen Situation. In unserem Forum haben Sie dazu Gelegenheit. Mehr über Selbsthilfe erfahren Sie zudem hier.
Informiert sein heißt auch Grenzen ziehen. Auch wenn Sie der erkrankten Person unbedingt helfen möchten: Übernehmen Sie nicht die Verantwortung für deren Sucht und achten Sie darauf, sich nicht in eine Co-Abhängigkeit zu begeben. Darunter versteht man ein – häufig auch unbewusstes – suchtförderndes Verhalten. Dazu zählt z.B. die Beschaffung des Suchtmittels oder die Rechtfertigung des Suchtverhaltens vor sich selbst oder anderen.
Eine erfolgreiche Behandlung beginnt mit der Einsicht, dass Sie suchtkrank sind. Auch wenn dieses Eingeständnis schmerzhaft und möglicherweise schambehaftet ist, versetzt es Sie in die Lage zu handeln und sich Ihrer Erkrankung zu stellen.
Auf den Entzug, bei dem der Körper von den Giftstoffen befreit wird, folgt die Entwöhnung. In diesem psychischen Entzug geht es darum, wie Sie Ihr Leben ohne den Suchtstoff gestalten. Einige Schutzfaktoren können Sie dabei unterstützen: ein positiver Umgang mit Stress und Problemen, ein unterstützendes Umfeld, die Möglichkeit, Ihr Leben selbst zu gestalten, ein positives Selbstbild und erhöhte Belastbarkeit. Im Rahmen der Entwöhnung wird gezielt daran gearbeitet.
Auch der Besuch von Selbsthilfegruppen kann förderlich sein, da Sie auf Menschen mit gleichen Erfahrungen treffen und sich potenziell verstanden fühlen. In unserem Forum können Sie sich auf digitalem Weg mit anderen Betroffenen austauschen. Mehr zum Thema Selbsthilfe finden Sie hier.
Aus medizinischer Sicht ist davon dringend abzuraten. Entzug bedeutet, den Körper vom Suchtstoff zu befreien. Dabei können je nach Suchtmittel schwere körperliche Begleiterscheinungen auftreten. Ein Entzug sollte daher stets im Rahmen einer stationär-psychiatrischen Behandlung stattfinden. Es ist zudem leichter, sich der Erkrankung außerhalb des gewohnten Umfelds zu stellen, das eng mit der Sucht verknüpft ist. Darüber hinaus ist die Gefahr des Abbruchs ohne Betreuung sehr hoch.
Es gibt mehrere Ansätze, um einem Rückfall vorzubeugen. Im Rahmen einer Suchttherapie wird erkundet, welche Lebensumstände die Abhängigkeit grundsätzlich begünstigt haben. Dabei werden Strategien für den Umgang mit diesen sehr individuellen Faktoren entwickelt.
Darüber hinaus gibt es einige allgemeine Vorgehensweisen, um Rückfälle zu vermeiden:
- Der regelmäßige Besuch einer Selbsthilfegruppe ermöglicht, Erfahrungen mit anderen Betroffenen auszutauschen, sich zu motivieren und einander beizustehen.
- Das Gehirn hat sich an das Gefühl der Belohnung über das Suchtmittel gewöhnt. Wird es nicht mehr konsumiert, entsteht eine Lücke. Neue Gewohnheiten, Hobbys oder Interessen können sie füllen.
- Stress und Belastungen in der Familie oder bei der Arbeit steigern das Rückfallrisiko. Fachleute können Wege aufzeigen, wie mit Belastungen umzugehen ist.
- In manchen Fällen hat das soziale Umfeld die Abhängigkeit begünstigt. Es gilt, kritisch zu hinterfragen, welche Personen und Aufenthaltsorte ein suchtfreies Leben eher behindern.
- Das Verlangen nach dem Suchtstoff wird an manchen Tagen übermächtig sein. Hier hilft ein vorher ausgearbeiteter Notfallplan, der das eigene Verhalten für Momente mit hoher Rückfallgefahr anleitet.
Bei einem Alkoholentzug können einerseits körperliche und andererseits psychische Entzugserscheinungen auftreten. Zu den häufigsten körperlichen Symptomen gehören Zittern, Schwitzen, Unruhe, Übelkeit, Kopfschmerzen, Schlafstörungen, Blutdruckanstieg und Krampfanfälle.
Eine besonders schwere Form ist das alkoholbedingte Delirium tremens (kurz: Alkoholdelir) mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses, der Atmung, des Herz-Kreislauf-Systems sowie Bewusstseinsstörungen bis hin zum Koma. Diese lebensbedrohliche Komplikation kann sich einstellen, wenn Alkohol nach langem regelmäßigem Konsum plötzlich abgesetzt wird.
Psychische Entzugserscheinungen umfassen depressive Verstimmungen, Angstzustände, Konzentrationsprobleme, Stimmungsschwankungen und Aggressivität.
Ein Alkoholentzug sollte stets unter medizinischer Aufsicht erfolgen.
Co-Abhängigkeit bezeichnet das suchtfördernde Verhalten von Menschen aus dem Umfeld einer erkrankten Person. Mit der Absicht, der erkrankten Person zu helfen und sie zu unterstützen, begeben sie sich selbst in eine Abhängigkeit, die auf das Leben der Süchtigen/des Süchtigen ausgerichtet ist.
Erkennen lässt sich Co-Abhängigkeit unter anderem durch die drei Phasen, in denen sie auftritt. Am Anfang wird die süchtige Person beschützt und entschuldigt, zum Beispiel vor dem Arbeitgeber. Der Suchtstoff wird beschafft, die Situation insgesamt verharmlost. Die zweite Phase besteht im Versuch zu kontrollieren, etwa indem das Suchtmittel versteckt und die erkrankte Person stärker beobachtet wird. Die dritte Phase beginnt mit der Erkenntnis, dass diese Dinge das Problem nicht lösen. Co-Abhängige entwickeln Gefühle der Anklage, Ausgrenzung und Abwendung gegenüber der erkrankten Person.
Weitere Merkmale sind:
- Co-Abhängige Menschen haben Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen und häufig mangelndes Selbstwertgefühl.
- Ihr eigenes Leben tritt völlig in den Hintergrund.
- Sie fühlen sich verantwortlich für die erkrankte Person und dafür, die Fassade nach außen aufrechtzuerhalten.
- Sie sind oft stark erschöpft und stehen unter hohem Druck.
- Sie leiden an psychosomatischen Symptomen wie Kopfschmerzen, Verspannungen und Depressionen.
Beim Spielen von Computerspielen wirken ähnliche Mechanismen wie beim Konsum anderer Suchtmittel. Durch Spielerfolge wird das Belohnungszentrum des Gehirns aktiviert. Das so erzeugte Wohlgefühl möchte man immer wieder erleben. Mit der Zeit entsteht jedoch eine Toleranz, sodass die Dosis – also das Spielen – erhöht werden muss. Wie bei anderen Suchtstoffen geht die Kontrolle verloren. Das Gamen hat Priorität, Schule, Ausbildung und Familie werden vernachlässigt. Aktuell erfolgreiche Games sind zudem nach Mustern aufgebaut, die Nutzerinnen und Nutzer lange an das Spiel binden. Sie sind zum Beispiel nie zu Ende. Die Spielumgebung ändert sich oft, sodass es immer etwas Neues zu entdecken gibt. Games schütten Belohnungen aus, jedoch wissen Spielende nicht wann. In Form von Teamspielen erzeugen sie eine soziale Verpflichtung. Der Schwierigkeitsgrad wird an die Spielenden angepasst, weshalb sich Erfolge einstellen, die zum Weiterspielen motivieren. Nicht hinter jeder Phase intensiven Spielens steckt eine Sucht. Seit 2019 ist „Gaming Disorder“ jedoch von der WHO als Erkrankung anerkannt, was Diagnosestellung und Behandlung erleichtert.