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Psychiatrie so zeigen, wie sie wirklich ist

Dezentral, auf Augenhöhe und ressourcenorientiert: Moderne Psychiatrie sieht ganz anders aus als im Hollywood-Film. Um mehr Menschen davon zu überzeugen und Hemmschwellen abzubauen, haben Lisa Merkel und Alexander Joniks, Trainees für die obere Führungsebene im Pfalzklinikum, zusammen mit Kolleginnen und Kollegen einen Podcast gestartet. Er heißt „anders.echt.normal“.

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anders.echt.normal

 

Frau Merkel und Herr Joniks, welche falschen Vorstellungen gibt es immer noch über die Psychiatrie?

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   zum Podcast

Lisa Merkel (LM): Männer mit Zwangsjacke, sterile weiße Räume, und Patienten, die vollgepumpt werden mit Medikamenten: Das sind immer noch bestehende Vorurteile, mit denen wir gerne aufräumen möchten durch unseren Podcast. Und wir möchten Hemmschwellen abbauen, damit Menschen, die eine Behandlung brauchen, diese auch annehmen können. Je frühzeitiger dies geschieht, umso weniger ist eine stationäre Aufnahme oft erforderlich.

Alexander Joniks (AJ): Es gibt tatsächlich weiterhin noch eine große Stigmatisierung im Zusammenhang mit seelischen Erkrankungen und der Psychiatrie. Das verhindert, dass Menschen sich rechtzeitig Hilfe suchen.

 

Welches Bild möchten Sie stattdessen in Ihrem Podcast vermitteln? 

LM: Moderne Psychiatrie ist viel dezentraler, viel mehr auf Augenhöhe und im Austausch mit dem Klienten, der Klientin, orientiert an ihren Bedürfnissen und Ressourcen.

Früher war Psychiatrie immer an einem Standort, in unserem Fall in Klingenmünster. Mittlerweile gibt es aber eine ganze Bandbreite an Angeboten in verschiedenen Ortschaften: Neben stationären Angeboten sind das: Wohngruppen, Tageskliniken, Tagesstätten und die Zuhause-Behandlung.

AJ: Vor allem mit der Zuhause-Behandlung, also der Behandlung in der eigenen Umgebung, möchten wir Menschen in ihrer Lebenswelt abholen. Unsere Klinik setzt dazu seit 2020 deutschlandweit das größte Modellvorhaben im psychiatrischen Kontext um. Damit sind wir unter anderem flexibler darin, wie lange oder kurz wir Patientinnen und Patienten individuell stationär aufnehmen. Erste Tendenzen zeigen, dass die Menschen oft rascher auf die Therapie in der Klinik ansprechen, wenn die Aussicht besteht, danach ambulant in ihrer vertrauten Umgebung weiter behandelt werden zu können. Was dann auch erfolgreich gelingt. Also nicht Schema F für alle, sondern der Mensch steht im Zentrum bei der modernen psychosozialen Versorgung. Dazu zeigen wir auch auf, wie sich der Einzelne an seinem Heimatort ein verlässliches Hilfenetzwerk aufbauen kann.

 

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Podcast Mikrofon
     Foto: ©Pexels

Der Name des Podcasts ist „anders.echt.normal“. Können Sie ein Beispiel geben, wie das konkret aussehen kann?

LM: ,Anders‘ zeigt sich zum Beispiel darin, dass Patientinnen und Patienten viel früher wieder zurück in ihrem gewohnten Umfeld sind. Das hat auch Außenwirkung: Da ist jemand nicht mehr sechs Wochen in der Klinik, sondern rasch wieder zuhause. Gleichzeitig kommen Fachärzte und Pfleger zu ihnen, um sie zu versorgen. Das ist ,echt‘. Und diese Menschen leben in einem Haus mit anderen Mietern, dadurch wird es ,normal‘. Das gilt nicht nur für eigene Wohnungen, sondern auch für dezentrale Wohnformen der Gemeindepsychiatrie. Die Menschen sind dadurch mehr in ihren Ort, ihren Stadtteil integriert, es kommt zu weniger Ab- und Ausgrenzung.

 

Lässt der Podcast dazu auch Patientinnen und Patienten zu Wort kommen?

AJ: Natürlich. Zum Beispiel war eine Patientin bei uns im Maßregelvollzug. Das bedeutet: Sie hatte aufgrund einer psychischen Erkrankung eine Straftat begangen, daher kam sie zu uns und nicht in eine Justizvollzugsanstalt. In Folge 6 („Therapie hinter geschlossenen Türen“) schildert sie, wie sie begleitet wurde, wie die Therapie aussah und wie sie allmählich wieder ins Leben zurückgefunden hat. Inzwischen lebt sie in ihrer eigenen Wohnung und wird nur noch ambulant behandelt. Es ist uns ein großes Anliegen ebenfalls zu zeigen, dass Menschen, die wir entlassen und bei denen keine Eigen- oder Fremdgefährdung besteht, dank unserer Nachsorge im Anschluss nicht allein dastehen.

 

Es gibt noch andere psychiatrische Podcasts. Wie unterscheidet sich Ihrer davon?

LM: Anders als in Podcasts wie „Jung und Freudlos“ der Universitätsklinik Freiburg wollen wir keine Krankheitsbilder erläutern und Psychoedukation anbieten, sondern zeigen, was die moderne Psychiatrie ausmacht und was möglich ist. Dabei kommen sowohl Fachkräfte als auch Betroffene und Angehörige zu Wort. 

 

Und wer moderiert?

AJ: Das sind drei Kolleginnen und Kollegen aus dem Pfalzklinikum: Anna Keller, sie kommt aus dem pädagogischen Bereich und ist nun Referentin der Geschäftsführung für den Bereich Krankenhauszukunftsgesetz, Marius Klein aus dem Controlling und Toni Hendel. Letzterer war Stationsleiter im Maßregelvollzug und ist ins Qualitätsmanagement gewechselt. Toni war auch derjenige, der in unserer Traineegruppe für die obere Führungsebene die Idee für den Podcast hatte. Er interessiert sich schon lange für dieses Format. Die drei haben sich in kurzer Zeit zu richtigen Profis am Mikrofon entwickelt.

LM: Ursprünglich hatten wir an einen Bürgerdialog gedacht, aber mit dem Podcast erreichen wir letztlich sogar noch mehr Menschen auf eine nachhaltigere Art und Weise.

 

Was machen Sie beide, wenn Sie sich nicht gerade für den Podcast engagieren?

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Kopfhörer
     Foto: ©Pexels

LM: Aktuell bin ich in Elternzeit und arbeite mit einem geringen Stundenanteil im Bereich der Personalentwicklung an weiteren Möglichkeiten der Förderung junger Potentialträger. Zuvor habe ich einen Bereich mit drei Tagespflege-Einrichtungen für Senioren und Seniorinnen geleitet. 

AJ: Ich arbeite als Leiter stationäres Team im Klientenmanagement und bin für die stationäre Abrechnung zuständig. Für das Marketing des Podcast bin ich, in Abstimmung mit unserer Kommunikationsabteilung, zusätzlich verantwortlich. 

 

Wo zeichnen Sie auf?

LM: Wir haben den großen Vorteil, dass das Pfalzklinikum über einen von Patienten und Patientinnen gestalteten Radiosender verfügt, den Peilsender. Dadurch steht uns ein professionelles Studio zur Verfügung. Wir sind von der Technik her bestens ausgestattet und haben viel Hilfe von den Kolleginnen und Kollegen bekommen. 

 

Sie sind im Herbst 2023 gestartet. Wie sieht denn das erste Feedback aus?

LM: Wir haben schon viel Zustimmung erhalten, aus dem Haus, aber auch von Menschen, die eher zufällig auf unseren Podcast gestoßen sind. Für einen Wow-Effekt hat die Folge „Inside Psychiatrie“ gesorgt, weil es darin auch um unsere Genesungsbegleiter geht: Viele wussten nicht, dass auch Menschen zu unseren multiprofessionellen Behandler-Teams gehören, die selbst einmal psychisch krank waren. Sie haben eine Weiterbildung absolviert und unterstützen Patientinnen und Patienten nach dem stationären Aufenthalt. Sie können ganz anders nachempfinden, wie es diesen geht, können sie motivieren und ihnen Mut machen. Sie haben schon den nächsten Schritt in ein normales Leben geschafft und zeigen, wie das gelingen kann.

AJ: Wir freuen uns sehr über die tollen Rückmeldungen. Dazu gehörte, dass die Hörerinnen und Hörer dankbar sind, dass wir Themen aufgreifen, die eben immer noch als ein Tabu gelten.

Deshalb möchten wir auch noch viel mehr Menschen erreichen, neben Fachpublikum vor allem Angehörige, Betroffene, interessierte Laien. Dazu werden wir noch mehr tun. So kann sich auch die Gesundheitskompetenz aller verbessern.

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„Die Zeit im Studio ist wie Urlaub“

Krankenhaussender gibt es viele. In der Kinder- und Jugendpsychiatrie des Pfalzklinikums sitzen jedoch die Patientinnen und Patienten am Mikrofon. Von den Jüngsten bis zu den jungen Erwachsenen im Maßregelvollzug. Darunter sind viele musikalische Talente, die zum ersten Mal echte Selbstwirksamkeit erleben.