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Psychische Erkrankungen und Partnerschaft: Mitgefühl – auch für sich selbst

Plötzlich aggressiv oder aber völlig niedergeschlagen: Wenn Menschen eine psychische Störung entwickeln, verändert sich auch das Leben ihrer nächsten Angehörigen. Um in dieser herausfordernden Zeit selbst gesund zu bleiben, sollten diese nicht nur versuchen, dem Partner oder der Partnerin Hilfe zukommen zu lassen. Sie sollten auch an sich selbst denken.

 

„Wir dachten, mit Liebe geht das.“

Doch es ging nicht. Liebe ist kein Medikament gegen die Krankheit Depression, Zuwendung keine wirksame Therapie gegen die dunklen Abgründe der Seele: 2009 hatte sich der Fußballtorwart Robert Enke das Leben genommen. Seine Frau Teresa hat seither mit dazu beigetragen, dass psychische Erkrankungen weniger stigmatisiert, verschwiegen, tabuisiert werden. Und sie hat mit dem inzwischen vielzitierten, eingangs genannten Satz aus dem Jahr 2011 auch das lange unsichtbare Leid der Angehörigen und Partnerinnen bzw. Partner öffentlich gemacht. „Sie sind immer mitbetroffen“, sagt Karl Heinz Möhrmann, Mitglied im Vorstand des Landesverbandes Bayern der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen, wo er sich seit mehr als 20 Jahren engagiert.

 

Plötzlich wie ein anderer Mensch

Psychische Erkrankungen greifen nicht nur in das Leben der Betroffenen stark ein, sondern auch in das der Menschen, die es mit ihnen teilen. Denn die Erkrankten verändern sich scheinbar ohne Grund: Depressionen können je nach Schweregrad eine lebensfrohe, unternehmungslustige Person in einen grüblerischen, in sich gekehrten, antriebslosen, aber auch unberechenbar gereizten und verbal verletzenden Menschen verwandeln. Angststörungen können dazu führen, dass sich die Erkrankten nicht mehr aus dem Haus trauen und das gemeinsame soziale Leben zum Stillstand kommt. In der manischen Episode einer bipolaren Störung kann es vorkommen, dass ein bisher verantwortungsvoller Familienvater plötzlich das Konto leerräumt, um einen ganzen Fuhrpark an Autos zu kaufen und so seinen Haushalt an den Rand des Ruins zu bringen. 

 

Angehörige können unterstützen, aber ersetzen keine professionelle Hilfe

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Grafik Depressionshilfe
© Stiftung Deutsche Depressionshilfe

Häufig versuchen Partnerinnen und Partner, dem geliebten Menschen mit Verständnis zu helfen. Und manchmal auch mit dem geradezu verzweifelten, aber eher kontraproduktiven Appell, sich „nicht hängen zu lassen“. Sie übernehmen Aufgaben des anderen, in der trügerischen Hoffnung, dass es sich nur um eine Phase handelt und der andere bald wieder so ist wie früher. Manchmal wollen sie den anderen schonen und tragen doch auf diese Weise unwissentlich dazu bei, dass sich die Störung verstärkt: Häufig wissen sie nicht, dass eine psychische Erkrankung vorliegt, die professioneller Hilfe bedarf. Es besteht immer noch hoher Aufklärungsbedarf. Mehr als eineinhalb Jahre vergehen durchschnittlich, bis Menschen, die an einer Depression leiden, sich Hilfe suchen. Das hat 2022 das sechste Deutschland-Barometer Depression der Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention gezeigt. Das siebte Deutschland-Barometer Depression veranschaulichte im November 2023, welche immense Bedeutung Freunde und Familienangehörige für Betroffene haben: 96 Prozent geben sie das Gefühl, nicht allein zu sein. Für 87 Prozent verhindern sie, dass sie sich komplett zurückziehen, 81 Prozent fühlen sich von ihnen ermutigt, sich professionelle Hilfe zu suchen.

Hat sich die Partnerin oder Partner emotional und im Verhalten stark verändert, was das Befinden, das soziale oder berufliche Leben offenkundig beeinträchtigt, sollten Angehörige darauf drängen, gemeinsam Hausarzt oder -ärztin für eine erste Diagnose aufzusuchen. Wenn nötig, kann er an eine Psychiaterin oder einen Psychiater überweisen. Diese beurteilen, ob eine ambulante oder stationäre Therapie infrage kommt. Werden Angehörige in die Behandlung mit einbezogen, schafft dies oft mehr Klarheit darüber, welche Symptome die  Erkrankung mit sich bringt, was sie selbst überhaupt leisten können und wo die Grenzen liegen. Dabei hilft es, wenn der erkrankte Mensch eine Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht unterzeichnet.

Karl Heinz Möhrmann erklärt:

„Auch wenn Partner ungewöhnlich aggressiv werden, sollten Angehörige möglichst bedenken, dass es sich dabei um ein Symptom der Erkrankung und nicht um einen Charakterzug handelt.“

Im Umgang mit dem Partner oder der Partnerin sollten sie Streit vermeiden, eher Ich- als Du-Botschaften senden (Nicht: „Du hast schon wieder…“, sondern „Ich finde es schwierig, wenn…“) und eine ehrliche Kommunikation pflegen: „Reden Sie nicht hinter seinem Rücken über den erkrankten Menschen, sondern mit ihm, das schafft Vertrauen.“

 

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Partnerschaft
© Pexels

Angehörige sollten auf sich achten

Für Angehörige ist es außerordentlich wichtig, die eigene Gesundheit nicht zu vernachlässigen. Schließlich kann die psychische Erkrankung eines Kindes, Elternteils oder Partners als dauerhafte Belastung großen seelischen Stress verursachen. Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder andere körperliche Beschwerden sind häufig die Folge. In manchen Fällen entwickeln Angehörige selbst eine psychische Störung. Viele leiden an Schuldgefühlen, den Betroffenen nicht wirklich helfen zu können. Oder falsche Scham lässt es nicht zu, dass sie sich anderen mitteilen und auch für sich selbst Unterstützung suchen. 

„Wir raten Angehörigen immer, sich über die Erkrankung zu informieren und sich ein gutes Hilfenetz aufzubauen“, sagt Karl Heinz Möhrmann. Auch sollten sie sich jeden Tag etwas Gutes zu tun. Sei es, mit einer Freundin ein Café aufzusuchen, die Lieblingsmusik zu hören oder beim Sport den Kopf freizubekommen. Bestehende Hobbys, bei denen man gut entspannen kann, sollten weiter gepflegt werden. Bei starkem Leidensdruck kann eine eigene Psychotherapie entlastend wirken. Aber auch der Austausch in einer (Online-)Angehörigen-Selbsthilfegruppe kann wertvolle Unterstützung bieten, allein schon durch das Gefühl, verstanden zu werden.

 


Was wird aus der Beziehung zu einem erkrankten Menschen?

Das Informationsportal „Neurologen und Psychiater im Netz“ rät zudem, „die Krankheit nach Möglichkeit nicht zum Lebensmittelpunkt werden zu lassen“. Partnerschaft und Familienleben bräuchten besondere Pflege. Das belegen auch Zahlen: 2018 bereits ergab das Deutschland-Barometer Depression, dass 45 Prozent der Beziehungen den Belastungen einer Depression nicht standhielten. Bei mehr als einem Drittel aber ließ sich die Partnerschaft durch die gemeinsam durchstandene Zeit der Depression auch festigen. Karl Hein Möhrmann sagt:

„Wir sagen Angehörigen immer: ,Lieben Sie sich noch? Dann lohnt es, um Ihre Beziehung zu kämpfen und die Hoffnung zu bewahren‘.

Mehr als 50 Jahre lang begleitete er seine Ehefrau durch alle Episoden ihrer bipolaren Störung, zwischen denen immer auch symptomfreie Phasen lagen: „Wir hatten viele gute Zeiten!“

 

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