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„Es tröstet unheimlich, einfach mal abgelenkt zu werden“

 

Jeden zweiten Freitagvormittag kommen Pella Rosella und Dr. Palletti auf Visite: Im Zentrum für Autismus und Störungen der sprachlichen und geistigen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter des kbo-Heckscher-Klinikums in Haar bei München zaubern die Klinikclowns nicht nur den Patientinnen und Patienten ein Lächeln ins Gesicht.

„Bis hierhin und nicht weiter, Herr Dr. Palletti!“ Schon bleibt der kleine Mann mit dem lustigen blauen Hütchen auf dem Kopf wie angewurzelt im Türrahmen stehen. „Und man muss auf jeden Fall anklopfen, wenn man hereinkommt!“, betont Pella Rosella, die ziemlich große Frau neben ihm. Sie trägt eine Ballonmütze mit riesiger Skibrille und hat mal eben spielerisch die Regeln erklärt, die in der Tagesklinik gelten. Schüchtern hat der elf Jahre alte Tom, der eigentlich anders heißt, den seltsamen Besuchern zugesehen. Als sie sich verabschieden, zögert er und gibt dann beiden vorsichtig die Hand. „Das war sehr berührend“, sagt Pella Rosella hinterher. Denn Tom ist der Neue, er wird erst seit diesem Tag im kbo-Heckscher-Klinikum wegen seiner Autismus-Spektrum-Störung behandelt. Und körperliche Nähe lässt diese oftmals nicht zu.

 

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Alexander Biller Foto © kbo

Passen Clownerie und Autismus zusammen?

Pella Rosella heißt in Wirklichkeit Katja Dietrich. Zusammen mit Peter Spiel alias Dr. Palletti engagiert sich die 55-Jährige im Verein KlinikClowns Bayern. Seit 2022 treten sie als schräges, bunt geschminktes Paar mit roter Clownsnase auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie der Klinik auf, im Zentrum für Autismus und Störungen der sprachlichen und geistigen Entwicklung im Kindes- und Jugendalter. „Wir haben uns vorher Gedanken gemacht, ob das bei unseren Patientinnen und Patienten wirklich gut passt“, sagt Pflegedienstleiter Alexander Biller. Schließlich ist die Kommunikation aufgrund der Erkrankung oft nicht selbstverständlich: Selbst eine Kontaktaufnahme an sich kann unerwünscht sein, Gesten können wichtiger sein als Sprache. Bei einigen der Kinder und Jugendlichen im Alter zwischen zwei und zwölf Jahren gehört eine Intelligenzminderung zum Krankheitsbild. „Aber es läuft ganz wunderbar“, so Alexander Biller, „weil die beiden Clowns ihr Vorgehen ganz individuell und feinfühlig anpassen.“ Und weil sie nicht etwa ein festes Programm vorbereiten, dem alle wie bei einem Vortrag folgen müssen.

Stattdessen fügen sich Pella Rosella und Dr. Palletti wie ein plötzlicher Sonnenstrahl in den Alltag der beiden Tageskliniken und der Station ein. Sie kommen hereingetapst in Spielrunden und Zimmer und sogar in den Schulunterricht auf dem eigenen Gelände – immer mit Anklopfen und respektvollem Abstand, selbstverständlich. Und dann wird improvisiert, ein Lächeln verschenkt, ein staunender Blick. „Eine Clownin darf neugierig sein, unwissend, auch ein bisschen frech“, erklärt Katja Dietrich, „vor allem aber ist sie sehr freundlich und zugewandt. Sie strahlt aus, dass dem anderen da ein uneingeschränktes ,Ja‘  gegenüber besteht.“ Sie lässt sich auch helfen: „Wie bläst man denn nun einen Luftballon auf?“ Und sie kann über sich selbst lachen, wenn ihr partout etwas nicht gelingt. Der Ballon, als Herz oder zum Tier gebastelt, erfreut dann nicht nur die Patientinnen und Patienten, sondern auch die Mitarbeitenden. „Die beiden Clowns sorgen immer für gute Stimmung“, sagt Alexander Biller, „schon allein, wenn sie über den Flur gehen, dann ergibt sich hier ein Smalltalk, da ein Spaß oder ein Lacher. Das ist für alle sehr schön.“ Der Alltag ist schon ernst genug – auch für die Eltern, deren Kinder oft monatelang auf Station sind oder zur Tagesklinik kommen müssen. „Gerade die Eltern dürsten nach etwas Erleichterung“, erzählt Katja Dietrich, „es tröstet unheimlich, auch nur für ein paar Momente abgelenkt zu werden.“ Das gilt genauso für die Patientinnen und Patienten.

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Foto © kbo - S. Bianco

 

Ein fixer Termin für positive Stimmung

Wer schon länger in Behandlung ist, gewöhnt sich daran, dass jeden zweiten Freitagvormittag die beiden Clowns vorbeischauen. Das ist wichtig, denn Kinder und Jugendliche mit einer Autismus-Spektrum-Störung brauchen Routinen und Verlässlichkeit. Ist das gegeben, sind durchaus kleine spontane Überraschungen und Interaktionen möglich, auch mit Instrumenten oder Handpuppen. Manche lassen sich dann auf ein kurzes Kartenspiel ein oder kleine Zaubertricks. „Die Älteren wollen oft cool sein und nicht lachen“, fügt Katja Dietrich hinzu, „aber dann müssen sie doch prusten.“ Der Austausch kann wenige Sekunden oder zehn Minuten dauern. Oder auch mal ausbleiben, wenn Alexander Biller und seine Kolleginnen und Kollegen den Clowns vorher einen Hinweis gegeben haben, dass ein Kind gerade nicht in Stimmung ist für einen Besuch.

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Foto © kbo - S. Bianco

„Es wäre zu viel gesagt, dass die Besuche der Clowns einen messbaren therapeutischen Effekt haben“, erklärt der Pflegedienstleister, „wir wollen den Kindern ermöglichen, eine weitere positive Erfahrung zu machen.“ Oft geht es einfach nur darum, einmal für einen Moment den Klinikalltag zu vergessen, eine fröhliche Atmosphäre zu schaffen und die Stimmung der Kinder und Jugendlichen für einen kleine Weile zu stabilisieren. Oder wie Katja Dietrich sagt: „Mit uns sammeln die Kinder und Jugendlichen kleine Puzzlesteine in ihrem Leben. Begegnungen, die Freude gemacht und unterstützt haben. Und vielleicht erlebt ein Kind, dass es etwas gut konnte und zeigen durfte.“ Zum Beispiel Pella Rosella, wie man einen Ballon richtig aufbläst.

 

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Das Ringen um die Diagnose „Autismus-Spektrum-Störung“